Ärger über angebliche Behörden-Willkür Offenes Autofenster kostet

Nach der Straßenverkehrsordnung müssen Fahrzeughalter ihr Auto gegen unbefugte Benutzung sichern. Die Missachtung der Regel kann mit einem Bußgeld bestraft werden. Bild: maho / Privat

Dietzenbach – Wer das Autofenster beim Parken offenlässt, muss befürchten, dass es hereinregnen kann oder dass sich gar Unbefugte an dem Fahrzeug zu schaffen machen – mit einem Knöllchen rechnen allerdings die wenigsten Verkehrsteilnehmer. Dementsprechend groß ist die Überraschung eines Dietzenbachers, als er mitbekommt, wie ein stadtbekannter Ordnungshüter das Auto ins Visier nimmt, obwohl der Halter überzeugt ist, ordnungsgemäß geparkt zu haben.

Die Verwunderung des Anwohners (dessen Identität der Redaktion bekannt ist, der aber anonym bleiben möchte) schlägt jedoch schnell in Wut um, als er feststellt, dass er wegen des – seiner Aussage nach „halb“ – geöffneten Fensters zur Kasse gebeten werden soll. Denn was viele Fahrzeughalter nicht wissen: In Paragraf 38a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) ist die Sicherung gegen unbefugte Benutzung vorgeschrieben, ein Missachten kann mit einem Bußgeld bestraft werden. Dem entspricht auch die Auskunft der Stadt auf Nachfrage unserer Redaktion: „Der besagte Fahrzeughalter hat nach dem Tatbestandskatalog einen Verstoß gegen die Verkehrssicherung des Fahrzeugs begangen“, heißt es. „Diese besagt, dass ein Fahrzeug so zu sichern ist, dass es nicht entwendet werden kann oder unbefugte Dritte damit Schaden anrichten können.“ Das Fenster des parkenden Autos habe „komplett offen“ gestanden, deswegen sei eine Verwarnung in Höhe von 15 Euro ausgestellt worden. „Rechtlich hat der städtische Mitarbeiter hierbei völlig korrekt und nach gesetzlichen Vorschriften gehandelt“, heißt es aus dem Rathaus. Kritisiert wird allerdings die Reaktion des Betroffenen: Dieser habe den Ordnungshüter „persönlich grob beleidigt und bedroht“, man prüfe nun strafrechtliche Maßnahmen.

Dieser Darstellung widerspricht wiederum der Fahrzeughalter, obgleich er einräumt, die Beherrschung verloren und lautstark geschrien zu haben. Beleidigungen seien dabei aber nicht gefallen, versichert er. Sein Ärger ist so groß, dass der Familienvater nun sogar eine Unterschriftenaktion gestartet hat, in der er die Ablösung des Ordnungshüters fordert. Dabei gehe es ihm nicht um den eigenen Strafzettel, sondern darum, dass sich Anwohner und Geschäftsleute regelrecht verfolgt fühlten – ein Vorwurf, der unsere Redaktion in diesem Zusammenhang häufiger erreicht. Er fürchte um den sozialen Frieden in der Stadt und wirft der Verwaltung vor, auch ihrer Fürsorgepflicht für Mitarbeiter nicht gerecht zu werden: „Der Arme wurde schon zweimal hier in Dietzenbach verprügelt“, verweist er auf zwei hinterhältige Attacken auf einen Dietzenbacher Ordnungshüter, die sich in den vergangenen Monaten ereignet hatten. „Es ist verantwortungslos von der Stadt.“

Die Ordnungsbehörde messe mit zweierlei Maß, wenn einerseits ein geöffnetes Fenster konsequent bestraft werde, gleichzeitig aber der Bürgermeister Strafzettel wegen offensichtlicher Parkverstöße zurücknehme. Damit spielt er auf einen Vorfall an, bei dem im Frühjahr Rathauschef Dieter Lang die Knöllchen für Gäste einer Charity-Veranstaltung annullierte. Wie berichtet, hatte Lang auf Nachfrage unserer Redaktion sein Vorgehen mit einem „Kommunikationsproblem“ begründet: Das Ordnungsamt sei ursprünglich angewiesen worden, die Besucher bei der Parkplatzsuche zu unterstützen.

Unsere Redaktion hat nun beim Bürgermeister noch einmal nachgehakt und wollte genau wissen, warum es – unabhängig von den vorangegangenen Missverständnissen – aus Sicht der Verwaltungsspitze notwendig war, die Parksünder zu verschonen. Außerdem baten wir Lang und den Ordnungsamt-Chef Markus Hockling um eine Einschätzung zu dem Vorwurf, in Dietzenbach würden Verkehrsvergehen mit zweierlei Maß gemessen. Von der Pressestelle der Stadt hieß es dazu nur, zu den Ordnungsverfahren gebe es keine weiteren Informationen, zum Vorwurf der Behördenwillkür verweigerten Hockling und Lang weitere Stellungnahmen.

Der verärgerte Anwohner hat inzwischen laut eigener Aussage etwa 100 Unterschriften gesammelt. Er räumt aber auch ein, dass einige Mitbürger nicht unterschreiben wollten, „weil sie sagten, er mache seinen Job gut“. Der Initiator will auf Nachfrage der Redaktion seine Unterschriftenaktion nicht als „Hetzjagd“ verstanden wissen, ihm gehe es darum, „mit Fakten und Zeugenaussagen einen positiven Wandel herbeizuführen“

Von Niels Britsch