Kein Hotelbetrieb: Wer ankommt, der bleibt Heusenstammer „Rainbow Hotel“ wird zu „Rainbow House“

Aus dem „Rainbow Hotel“ wurde das „Rainbow House“. Der Kreis Offenbach nutzt das ehemalige Hotel in Heusenstamm seit Anfang April als Unterkunft für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Foto: pro

Heusenstamm (red) – Im Heusenstammer „Rainbow“ hat sich in diesem Frühjahr vieles verändert: Das tägliche Ein- und Aus-Checken gehört der Vergangenheit an. Wer ankommt, der bleibt. Wo früher Hotelgäste für ein paar Tage übernachteten, fühlen sich heute junge Hausbewohner wohl. Der Kreis Offenbach nutzt das ehemalige Hotel seit Anfang April als Unterkunft für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge.

Aus dem „Rainbow Hotel“ wurde das „Rainbow House“. Ein sichtbares Zeichen ist das neue Schild mit dem Regenbogen oben am Dach des Gebäudes. In der Startphase im April sind knapp 30 junge Leute eingezogen, Mitte Juni kommt eine weitere Wohngruppe, zu der immer 14 Jugendliche gehören, hinzu. Für rund 90 Bewohner gibt es in den Doppelzimmern Platz.

„Der Gesetzgeber stellt an die Betreuung von unbegleiteten, minderjährigen Zuwandern besondere Anforderungen“, sagt Kreisbeigeordneter Carsten Müller. „Mit der Inobhutnahme der jungen Menschen in der neuen Einrichtung werden wir den strengen Qualitätsstandards, die nach dem Kinder- und Jugendhilferecht für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge gelten, gerecht. Für die Jugendlichen ist es jetzt ganz wichtig, nach dem Ankommen Ruhe zu finden“. Im „Rainbow House“ gibt es Müller zufolge eine permanente Aufsicht sowie eine vielfältige, sozialpädagogische Unterstützung. „Der besondere Schutz der Minderjährigen spiegelt sich auch im hohen Personalschlüssel wider“, sagt der Sozialdezernent des Kreises Offenbach. „Eins zu zwei - das bedeutet eine Fachkraft ist für zwei Jugendliche zuständig“.

Betreuung erfolgt durch Paritätische Projekte

Die Betreuung der Jugendlichen im „Rainbow House“ habe der Kreis Offenbach in die bewährten Hände der Fachleute der Paritätischen Projekte gegeben. Die Mitarbeiter hätten viel Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen. Die gemeinnützige Gesellschaft suche noch weitere pädagogische Fachkräfte im Betreuungsdienst und ehrenamtliche Helfer (www.paritaet-projekte.org). Bei den minderjährigen Zuwanderern, die aus den Kriegs- und Krisenregionen geflohen seien und die Deutschland ohne Eltern oder Erziehungsberechtigte erreicht hätten, gehe es jetzt vor allem darum, Stress und Angst aus dem Alltag zu nehmen. „Nach den traumatischen Erlebnissen ist es gut, wenn die Jugendlichen Sicherheit und Geborgenheit spüren“, so Carsten Müller.

Auf ihrer oftmals monatelangen Flucht durch viele Länder hätten die Minderjährigen unter äußerst schwierigen Bedingungen ständig Veränderungen hinnehmen müssen. In der neuen Unterkunft in Heusenstamm würden den Teenagern vor allem Kontinuität und ein geordneter Tagesrhythmus geboten. Die Minderjährigen sollten sich die Zeit nehmen, die sie für das Ankommen benötigen.

Normalität und Stabilität sind Ziele

Die Ziele der Pädagogen im „Rainbow House“ seien klar gesteckt. Sie wollten für Normalität und Stabilität sorgen. Orientierungshilfe zu geben, sei eine weitere Aufgabe. „Wir möchten mit jedem Jugendlichen einen Weg finden, der ihn zu einem gut integrierten, verantwortungsfähigen und selbständigen Mitbürger im Kreis Offenbach werden lässt“, sagt Andreas Beck. Der Geschäftsführer der Paritätischen Projekte-Gesellschaft hebt die gute Zusammenarbeit mit den beteiligten Behörden hervor. „Wir arbeiten Hand in Hand, und genau das ist wichtig, um den Schutzauftrag für die Jugendlichen zu realisieren.“ Entscheidend dabei sei, dass die jungen Leute Zugang zur Sprache, zu Kultur, Schule, Ausbildung und Beruf fänden.

Schule spiele bei den Bewohnern im „Rainbow House“ von Anfang an eine große Rolle, denn das Erlernen der deutschen Sprache sei eine fundamentale Voraussetzung für das Gelingen der Integration. Alle Jugendlichen besuchten mittlerweile in der Offenbacher Käthe-Kollwitz- und der Dreieicher Max-Eyth-Schule sogenannte InteA-Klassen (Integration und Abschluss) oder Sprachkurse in Frankfurt.

Erste Kontakte gebe es auch zum Adolf-Reichwein-Gymnasium in Heusenstamm. Dort beschäftige sich eine Gruppe von Jugendlichen überwiegend aus siebten Klassen in einer Journalismus AG im Rahmen des Wahl-Pflichtunterrichts mit dem Thema Flüchtlinge. Die neun Schülerinnen und Schüler besuchten die Bewohner des „Rainbow House“, führten als Nachwuchsreporter Interviews und schrieben die persönlichen Geschichten der Jugendlichen auf. Eine andere Schülergruppe des Gymnasiums habe ebenfalls Gleichaltrige in der Unterkunft kennengelernt und mit ihnen in einem Kunstprojekt zusammengearbeitet.

Der nächste Schritt heißt Orientierung im Beruf

Wenn die Flüchtlinge sich in Deutsch verständigen könnten und andere Voraussetzungen stimmten, heiße der nächste Schritt Berufsorientierung. Dabei könnten auch die Nachbarn der Unterkunft professionell helfen.

Heusenstamms Bürgermeister Halil Öztas weist auf die Unternehmen rund um das „Rainbow House“ hin. Einige der Firmen hätten bereits signalisiert, dass sie den jungen Flüchtlingen Praktika-Plätze und Lehrstellen anbieten möchten. Öztas ist zuversichtlich, dass die Integration mit Unterstützung von lokalen Kooperationspartnern wie Schulen und Vereinen gelingen wird. Der Bürgermeister hatte die Teenager vor ein paar Wochen zum Neubürgerempfang der Stadt eingeladen. „Ich war positiv überrascht, wie gut einige schon Deutsch sprechen. Sie haben einen guten Eindruck hinterlassen“, sagt Halil Öztas.

„Wir erleben die Jugendlichen als sehr motiviert“

Geschäftsführer Andreas Beck und das Team der Sozial-Pädagogen der Paritätischen Projekte-Gesellschaft haben nach eigenen Angaben ebenfalls positive Erfahrungen mit den jungen Leuten gemacht. „Wir erleben die Jugendlichen als sehr motiviert und lernbereit.“ Die Betreuung der oftmals traumatisierten Flüchtlinge ist laut Paritätische Projekte-Gesellschaft eine fachlich außerordentlich anspruchsvolle Herausforderung. Die Erziehung zur Selbständigkeit stehe im Mittelpunkt. Dazu gehört unter anderem, dass die Jugendlichen wie zuhause ihr Zimmer, die Toilette und das Bad putzen müssen.

„Auf dem Weg in die Selbstständigkeit brauchen die jungen Leute hier und da Unterstützung, etwa bei der Suche nach einer selbst gemieteten Wohnung. Dies geschieht in enger Absprache mit den beteiligten Fachkräften“, sagt Gerlinde Rücker-Lindner, Fachdienstleiterin Jugend und Familie beim Kreis Offenbach. Die Rainbow-Bewohner führen wie andere mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule oder sie besuchten in ihrer Freizeit das örtliche Jugendzentrum und Vereine.

Integration über Sport

Beim Fußball und Volleyball hätten sich bereits einige Flüchtlinge ins Spiel gebracht. Die Integration über den Sport solle weiter gefördert werden. Auch mit Hilfe des Sportkreises Offenbach im Projekt „Integration Direkt“ und mit Unterstützung des kommunalen Sport-Coaches. Die Begegnung und der Dialog mit anderen Menschen in der Stadt seien für die angestrebte Inklusion, bei der die Gesellschaft ihre Vielfalt und Heterogenität lebt, entscheidend.

Die Jüngsten der minderjährigen Flüchtlinge sind den Angaben zufolge 16 Jahre alt.

Bewohner kommen unter anderem aus Eritrea und Syrien

Die Bewohner kommen aus Afghanistan, Äthiopien, Eritrea, Somalia und Syrien. In ihrem neuen Zuhause fänden sie viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Es gibt einen Aufenthaltsraum, einen Fitness-Raum, einen PC-Raum und die Jugendlichen hätten die Möglichkeit, sich etwa bei einem internationalen Tischfußballturnier auszutoben.

Viele seien wegen ihrer Flucht und aufgrund der Sehnsucht nach ihren Lieben traurig, doch zum normalen Leben in der Unterkunft gehöre auch, dass schon sechs Mal ein 18. Geburtstag gemeinsam gefeiert worden sei - und gelacht werde. Beispielsweise über die im konkreten Fall für Afrikaner seltsame Neuentdeckung von frittierten Champignons. Dieses kugelförmige Gebilde auf dem Teller sei dann doch nach dem Überwinden einer Hemmschwelle mit großer Vorsicht probiert worden. Die Gesichtsausdrücke beim Schmecken habe viel Spaß in die Gruppe gebracht.

Via Smartphone Kontakt zu Familien in der Heimat

Die meisten Flüchtlinge hätten via Smartphone Kontakt zu Familienmitgliedern in der Heimat. Über die schrecklichen Erlebnisse im Herkunftsland und der Flucht werde fast nie gesprochen. Zurückgehen sei auch kein Thema, sagt Sozialpädagogin Anneke Timmer, Leiterin der Einrichtung. „Die Jugendlichen richten sich auf das Leben hier ein.“ Vielleicht helfe ihnen dabei auch die Symbolkraft des Rainbows am Hausdach. Bekanntlich liege ja am Anfang und Ende des Regenbogens das Glück.