Schach-Stadtmeisterschaften in Mühlheim Es heißt Schachmatt

Wer wird der nächste Stadtmeister im Schach? Schon nach zwei Spieltagen hat niemand die volle Punktzahl auf dem Konto. Foto: man

Mühlheim (man) – So genau kann niemand sagen, seit wann in Mühlheim die Stadtmeisterschaft im Schach auf dem Plan steht. „Vielleicht seit 1947“, tippt Andreas Rönsch. Der 54-jährige organisiert das über sieben Dienstagabende laufende Turnier. Zwei Jahre nach dem Krieg konstituierte sich unter dem Dach der Sport-Union Mühlheim die Schachabteilung. Rönsch gewann selbst schon die Stadtmeisterschaft, kann jetzt aber nicht aus dem Stegreif sagen, wann das war, „vor fünf oder sechs Jahren“. Im letzten Jahr siegte Stefan Eibelshäuser, wie schon 2016.

Die Szenerie bei einem Schachturnier wirkt wie ein Blick in eine andere Zeit. Keiner fummelt am Smartphone, alle sitzen ganz ruhig am Tisch. Über Stunden konzentrieren sich die Spieler auf eine Partie. Es herrscht absolute Ruhe. Bei den aktuellen Stadtmeisterschaften steht nach dem zweiten Spieltag bereits fest: Der Sieger wird nicht alle Partien gewinnen.

Das macht den Mann jedoch nicht zwangsläufig zum Topfavoriten, denn auch 2018 endete das Turnier wieder einmal äußerst knapp: „Mit einem halben Punkt Vorsprung“, erinnert sich Andreas Curth, seit 2001 der Leiter der Schachabteilung. Keiner hatte sämtliche Partien ohne Niederlage überstanden.

Bei den meisten Sportveranstaltungen dröhnt es zumindest in den Pausen aus den Boxen. Wen das nervt, der fühlt sich beim Schach wohl. Im Raum im Gebäude gegenüber des Mühlheimer Wirtshauses an der Friedensstraße sitzen sich 14 Männer gegenüber. Wenn einer zwischendurch aufsteht, dann mit Bedacht, quasi auf Zehenspitzen.

Selten treffen sich abends so viele Männer, ohne dass auch nur einer ein Bier auf dem Tisch stehen hat. Wer nicht mehr ganz nüchtern ist, minimiert seine Chancen beim Schach beträchtlich, auch wenn es tatsächlich mal einen Weltmeister gab, der als Alkoholiker galt. Der Russe Alexander Aljechin verlor 1935 nach acht Jahren seinen Titel. Zumindest vorübergehend ausgenüchtert, holte er sich die Krone nach zwei Jahren zurück.

„Das Niveau in der Weltspitze hat sich in den letzten Jahren enorm gesteigert“, beobachtet Andreas Rönsch. Das hinge vor allem an den veränderten Trainingsmöglichkeiten. „Wir spielten in den 80er Jahren Partien von Bobby Fischer oder Aljechin noch aus Büchern nach“, erzählt der Mühlheimer, bevor er gegen Gerhard Eckert ans Brett geht. Beide hatten ihre erste Partie unentschieden gestaltet.

Die heutige Generation um den Norweger Magnus Carlsen verfügt über ganz andere Trainingsmöglichkeiten, auch wenn der 28-jährige Weltmeister betont, nie gegen Computer zu spielen. Ansonsten nütze er natürlich den PC für die Analyse von Partien. Die Hilfe ist der Hauptgrund, warum das Reglement keine Hängepartien mehr vorsieht, die erst am nächsten Tag weiter gehen. Mit Garri Kasparow verlor 1996 das erste Mal ein Weltmeister eine Partie gegen einen Computer. Gegen die künstliche Intelligenz bleibt heute auch ein Magnus Carlsen chancenlos.

Die Spiele zur Stadtmeisterschaft beginnen um 19 Uhr, eine Stunde früher als zum normalen Training. Oft dauern Partien bis nach Mitternacht. Schach kennt kein Alter. Hier tritt etwa der 17-jährige Kolja Hegmann im Laufe der Meisterschaft gegen den 85-jährigen Dr. Georg Hechler an, der sich 1968 und 1974 Stadtmeister von Offenbach nennen durfte. Nach zwei Partien zählt Hechler 1,5 Punkte. Eine Partie gewann er, die andere endete unentschieden.

Das gilt auch für Reiner Kästle, der aus Frankfurt kommt. Der 49-Jährige spielt im Alltag bei einem Frankfurter Verein, der sich „SC Matt im Park“ nennt, angelehnt an das Freiluftschach im Bethmannpark. Kästles zweite Partie endet remis gegen Tim Neidig, dem 21-jährigen stellvertretenden Leiter der Schachabteilung. Auch in diesem Jahr dürfte der Stadtmeister nur mit einem knappen Vorsprung über die Ziellinie gehen.

Nach dem zweiten Tag teilen sich sechs Spieler den ersten Platz. Beide Partien gewann keiner. Andreas Rönsch musste Gerhard Eckert gratulieren.