In Mühlheim zählt Ehrenbürgerin Elisabeth Gilmer-Kaiser (81) zu denen, die man kennt. Die langjährige SPD-Stadtverordnete und ehrenamtliche Stadträtin erzählt auf dem Weg zum Rathaus von den Gastarbeitern, die sie damals als Kassiererin im Supermarkt erlebte. Schüchtern hätten die auf sie gewirkt. Fragte Gilmer-Kaiser aber nach den Familien, „dann blühten die auf“. Engagierte Gewerkschafter seien sie gewesen, die Arbeiter aus den fernen Ländern. An die Gründung des Ausländerbeirats in Mühlheim kann sich Gilmer-Kaiser bestens erinnern, „ich war doch dabei“. Zusammen mit Horst Lehr, dem anderen Ehrenbürger, der im Sitzungssaal zuhört. Der damalige Erste Stadtrat spielte 1976 bei der Gründung eine Hauptrolle.
Hüsamettin Eryilmaz, der Vorsitzende des Ausländerbeirats, braucht eine gefühlte viertel Stunde, um die Ehrengäste aufzuzählen. Hinten sitzt etwa Bernd Müller, der CDU-Bürgermeister a.D. war zwölf Jahre im Amt. Er erscheint, „weil ich mich immer gut mit Eryilmaz verstanden habe“. Der gehört zu den Sozialdemokraten und formuliert den Klassiker unter den Forderungen der Ausländerbeiräte: Deutschland sollte das kommunale Wahlrecht für alle einführen, „egal, ob in der EU oder nicht“.
Stadtverordnetenvorsteher Harald Winter erklärt dem voll besetzen Auditorium, warum Eryilmaz neben Bürgermeister Daniel Tybussek sitzt, „weil der Ausländerbeirat im Stadtparlament Rederecht genießt und über den Magistrat Anträge stellen darf“. Der Landtagsabgeordnete Corrado Di Benedetto, selbst lange im Ausländerbeirat aktiv, moderiert und erwähnt seine Zweifel, ob es möglich sei, „eine Person von solchem Kaliber nach Mühlheim zu bekommen“.
Gemeint ist Landtagspräsident Norbert Kartmann, der aus der eigenen Familiengeschichte erzählt, die zum Teil im rumänischen Siebenbürgen liegt. Auch in der Nachkriegszeit habe es Probleme bei der Integration der Flüchtlinge gegeben, trotz der gleichen Muttersprache. Toleranz sei einer der wichtigsten Werte in Deutschland. Aus seiner Erfahrung als Lehrer wisse er, „Toleranz kann beigebracht werden“.
Von der politischen Bildung an deutschen Schulen hält der Christdemokrat allerdings nicht viel, „egal in welchem Bundesland“. Was den Austritt von Groß-Britannien aus der EU betrifft, schlägt Kartmann eine Art Besinnungskur vor: „Nur einen Tag die Grenzen abzudichten wie früher, das öffnete manchem die Augen.“
Landrat Oliver Quilling lobt Mühlheim als eine der ersten Gemeinden in Hessen, in der sich ein Ausländerbeirat bilden konnte. In seiner Heimatstadt Neu-Isenburg habe es noch Jahre gedauert. Gerade im interreligiösem Dialog spielten die Beiräte eine gewichtige Rolle.
Musikalisch gestalten Alfonso Pocho Chacón Sánchez auf der Gitarre und das Saz-Quartett (Ersin Zengin, Selin Beyzit, Eray und Irem Dogan) den langen Festakt. Enis Gülegen, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessens, grüßt niemanden. Er sei mehrmals gebeten worden, sich kurz zu fassen. Er kenne alle, „und kann sehen, wann sie es ernst meinen“, scherzt der Frankfurter Advokat, der von Mühlheim als einer der hellsten Sterne am hessischen Himmel in puncto Ausländerbeiräten spricht. Das hänge jedoch immer an einzelnen Leuten, „an solchen wie Hüsamettin Eryilmaz“.
Für die nächsten Jahre wünscht auch Olga Lucas Fernández alles Gute, die Vorsitzende des Kreisausländerbeirates. Bürgermeister Daniel Tybussek hofft vor dem Gang zum Büfett auf mehr Spielraum für die Beiräte. Die könnten Vorschläge nur über den Magistrat abwickeln. Tybussek wünscht sich, dass dies direkt übers Parlament möglich sein kann.