Berichte über Auschwitz Oberstufenschüler verfolgen Spuren des Schreckens

Schon ganze Schülergenerationen erzählten von ihren Eindrücken im Konzentrationslager Auschwitz. Doch jedes Projekt ist anders, jede Gruppe kehrt nach der Exkursion mit neuen Erkenntnissen zurück. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Oswiecim dürfte hierzulande kaum jemandem etwas sagen. Weit bekannter ist die polnische Stadt unter dem früheren Namen Auschwitz. Im vergangenen September besuchten 32 Schüler des Friedrich-Ebert-Gymnasiums (FEG) für mehrere Tage das ehemalige Konzentrationslager. Jetzt stellten die Schüler der Jahrgangsstufe zwölf ihre Projektergebnisse vor.

Ganze FEG-Generationen beschäftigten sich zwar schon mit dem Thema Auschwitz, „aber dennoch ist es nie dasselbe“. Schulleiter Stefan Sturm spricht neben Bürgermeister Daniel Tybussek und Landrat Oliver Quilling, bevor die Gymnasiasten die Ergebnisse des 26. Auschwitz-Projekts präsentieren. Geschichtslehrer Michael Schmidt, der das Projekt mit seiner Kollegin Julia Dubb betreute, erzählt von der veränderten Wahrnehmung der Mühlheimer Gymnasiasten zum Holocaust.

In der 68er-Bewegung ging es vor allem um die konkrete Frage an Vertreter der älteren Generationen, „was hast du während der Nazizeit gemacht?“. Der Grundtenor lautete, lediglich seine Pflicht erfüllt zu haben. Und überhaupt, man solle die Vergangenheit doch endlich ruhen lassen. Die schuldlosen nachfolgenden Generationen entwickelten dann etwas wie ein kollektives Schuldgefühl.

Mangel an politischer Bildung

Das habe er noch vor zehn Jahren beobachtet, erklärt Schmidt. Die Jugendlichen hätten von ihrem Schamgefühl als Deutsche in Auschwitz berichtet. Erst die heutigen, deren Großeltern in der Regel zu spät geboren sind, um Täter zu sein, hätten Distanz gefunden, seien unabhängig von der deutschen Identität in der Lage, die Ereignisse zu historisieren.

Schulleiter Sturm spricht auch über die Tagesaktualität. Die spielt heute zwangsläufig eine Rolle. Sonst präsentieren die FEG-Schüler die Ergebnisse ihres Auschwitz-Projekts im JUZ an der Rodaustraße. Wegen der Flüchtlinge, die dort gerade leben, zogen die FEG-ler in den Gemeindesaal des Pfarrheims von St. Sebastian an die Hanauer Straße um. Der Schulleiter erwähnt die Hilfsbereitschaft in Deutschland, spricht aber auch von jenen, die eine Pogromstimmung verbreiten. „Meist geht das mit einem Mangel an politischer und historischer Bildung einher.“

Aber auch mit dem banalen Willen, andere zu quälen. An einer Stelle im Vortrag der Gymnasiasten taucht die Metapher der Hölle auf. Das Bild liegt nahe. Die Höllenbeschreibungen im Laufe der Jahrhunderte wirken generell wie ein Protokoll sadistischer Phantasien. Im Lager konnten die Täter ziemlich alle Lust ausleben. In einem fiktiven Prozess trägt auf der Bühne eine Frau als Zeugin ihre Erlebnisse mit dem angeklagten Arzt vor, der sie im Lager zu Forschungszwecken ohne Narkose sterilisierte: „Mein Bauch fühlte sich an, als wenn er gleich platzt.“ Als sie schreit, herrscht der Mediziner, der einst den hypokritischen Eid schwor, sie an, zu schweigen.

An einer anderen Stelle spritzt derselbe Arzt zu Forschungszwecken Zwillingskindern ein Hormon, was das Wachstum der Niere stoppen soll. „Er tat es aus freiem Willen, wir haben es gesehen“, sagt die Zeugin über den Mann, der sich auf den Befehlsnotstand beruft. „Wir erledigten nur unsere Arbeit“, bezeugt sein ehemaliger Assistenzarzt.

Zwei Orchester

Ihren Alltag empfanden die Offiziere als anstrengend, wie die Schüler vortragen, die zu verschiedenen Themen vor Ort forschten. Auch über das Orchester, das schmissige Märsche von Franz von Suppé oder Johann Strauß intonierte, wenn die Häftlinge von der Arbeit zurückkehrten. Eine Geigerin erzählt, wie sich der Lagerführer Robert Schuhmanns „Träumerei“ von einem Pianisten wünscht. Als der spielt, fließen dem Massenmörder die Tränen.

Die Musiker galten als privilegiert. Ihre Baracken ließen sich heizen, die Arbeit war weniger hart für sie. Die Hölle aber immer auch die anderen. Manche Mithäftlinge beschimpften die Mitglieder der zwei nach Geschlechtern getrennten Orchester im Vorbeigehen als „Schlampen und Drückeberger“.