Mühlheimer gedenken der Opfer der Reichspogromnacht „Dass sich die Taten nicht wiederholen“

„Wer hier die Nacht verbrachte, kam morgens nicht mehr zurück“: FEG-Schüler gedenken vor dem Wachthäuschen der Opfer der Nationalsozialisten.

Mühlheim – Im Rückblick auf die Geschichte schwingt die Angst mit, das Grauen könnte sich wiederholen. Am Mittwoch trafen sich Mühlheimer Bürger, Vertreter aus Kommunalpolitik und verschiedener Gruppen vor dem ehemaligen Wachthäuschen an der Marktstraße zum alljährlichen Gedenken an das Pogrom der Nazis vor nunmehr 84 Jahren. Schüler des Friedrich-Ebert-Gymnasium (FEG) trugen Gedanken und Eindrücke nach ihrem Besuch in einem Konzentrationslager vor.

Zwei Jahre pausierten coronabedingt die Fahrten der Zwölftklässler des FEG nach Auschwitz und Buchenwald. Am Mittwoch besprachen die Oberstufenschüler des Gymnasiums die Ereignisse vom 9. November 1938. Damals klirrten die Scheiben, die Synagogen brannten, hunderte Juden starben, mehr als 30 000 fanden sich in einem Konzentrationslager wieder. Die Nazis gaben dem organisierten Volkszorn den Namen „Reichskristallnacht“.

Die Frage schwirrt wohl für immer durch die Gesellschaft, „könnte das wieder passieren?“ Die Pessimisten vermuten, alles sei nur eine Frage der Propaganda. Wenn der erklärte Feind für das Böse steht, warum nicht den Teufel vernichten?

Die Schüler erzählten von der Rede, die der Propagandaminister Joseph Goebbels am Abend des 9. Novembers im alten Rathaussaal in München vor Funktionären der NSDAP hielt. Das reichte, um die Dynamik in Gang zu setzen. Obwohl es der Bürgermeister verhindern wollte, „drang schließlich eine Gruppe von Nazis in die Mühlheimer Synagoge ein“. Dann brannte es wie überall. FEG-Lehrer Michael Schmidt betreut schon seit Jahren das jährliche Auschwitz-Projekt der Schule, zuletzt zusammen mit den Kolleginnen Julia Dubb und Verena Sindermann. Schmidt besuchte Auschwitz bisher 13 Mal mit Schülern. Einen Gewöhnungsprozess sehe er bei sich nicht, „alleine dieses Tor mit der Aufschrift ,Arbeit macht frei’ behält seine Wirkung auf mich. Die Arbeit der SS-Männer dahinter bestand aus dem Tod“. Die Schüler reagierten emotionaler als früher, beobachtet Schmidt.

Zwischendurch spielen zwei Schüler auf ihren Gitarren unter dem Dach des Wachthäuschens, in dem die Nazis während des Pogroms jüdische Männer festsetzten, Melodiesequenzen von Pink Floyd. „Wer hier die Nacht verbrachte, kam morgens nicht mehr zurück“, heißt es im Text.

„Der bewegendste Moment war für mich, als man durch das Eingangstor mit der bekannten Aufschrift ,Jedem das Seine’ ging“, erzählt eine Schülerin über den Besuch im KZ. An anderer Stelle heißt es, „man konnte weder nachvollziehen noch verstehen oder sich irgendwie vorstellen, welche Höllenqualen die Häftlinge, auch die aus Mühlheim Deportierten, dort erleben mussten“. Die Schülerin hofft, eine Gedenkstätte wie Buchenwald helfe, dass sich die Menschen das Geschehen bildlich vorstellen können, „dass sich die Taten nicht wiederholen“.  
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