Zu wenig Besucher Verein GFKM löst sich nach zwei Jahrzehnten auf

Michael Ruhr ernennt Edith Petri zum Schlussakkord des Vereins auf Antrag zum Ehrenmitglied. Foto: Mangold

Mühlheim (man) – Im Gemeindezentrum von St. Markus beschloss die „Gesellschaft der Freunde der Kirchen- und klassischen Musik Mühlheim (GFKM)“ vergangene Woche ihre Auflösung als Verein. Zwei Jahrzehnte städtische Kulturgeschichte finden im Sommer ihr Ende.

Edith Petri wirkt wie jemand, der schon länger überlegte, umzuziehen oder die Arbeitsstelle zu wechseln. Ein neuer Nachbar, ein neuer Chef oder irgendeine eine andere veränderte Lage gibt schließlich den Anstoß. Bei Petri war es die Ankündigung von Michael Ruhr, dem künstlerischen Leiter, zur nächsten Vorstandswahl der GFKM nicht mehr antreten zu wollen.

Letztlich lag es aber daran, was Ruhr mit „wir hatten nicht immer so viele Konzertbesucher, wie wir erhofften“, zusammenfasst. Edith Petri ergänzt mit „wie wir verdient hätten“. Nach 20 Jahren ist bald Schicht im Schacht bei der GFKM. Eine andere Frontfrau als Petri gab es nie. Sie erinnert an die vielen Orgelkonzerte, an das treue Mainzer Kammerorchester und erzählt von Georg Karl Sandebeck.

Finanzierung immer schwieriger

Die Stiftung des Mühlheimer Bauunternehmers und Bundesverdienstkreuzträgers bedachte die Freunde musikalischer Hochkultur in den ersten Jahre großzügig. Nach dem Tod des Ehrenmitglieds gestaltete sich die Finanzierung schwieriger, auch wenn Petri erwähnt, dass immer wieder Privatleute und Institutionen wie die Sparkasse einsprangen: „Und besonders die Stadt mit Klaus Schäfer.“ Der Leiter des Kulturamts erscheint zur letzten Sitzung als einer von über 20 Teilnehmern.

Eine Frau will wissen, ob durch eine Erhöhung des Jahresbeitrags, der bei gerade mal 25 Euro liegt, der Kulturclub nicht zu retten sei. Michael Ruhr verneint. Von 20 Euro mehr im Jahr ließe sich mit Spitz auf Knopf gerade mal ein Konzert stemmen. Ansonsten müsste der Beitrag in Höhen steigen, die wohl das eine und andere der 55 Mitglieder bewegte, sich aus dem Club zu verabschieden.

Mitglied Jürgen Schmitt spricht bedauernd davon, die klassische Musik bewege sich in einem Ghetto, „sie ist ein Auslaufmodell“. Eine steile These. Aber der Zeitgeist bläst der Musik der Hochkultur nicht nur in Mühlheim scharf in die Fugen. Den gesellschaftlichen Sound dominiert ein monotoner „Bum-Bum“-Rhythmus, eine Marschmusik der Moderne.

Restgeld fließt in letztes Konzert

Wer seine Sinne und Nerven schonen will und im Restaurant, das auszuschalten, stößt in der Regel auf Unverständnis- ähnlich wie jemand, der bekundet, nicht Essen und Trinken zu wollen. Laufen im Autoradio Beethovens Diabelli-Variationen oder Alban Bergs Lulu, reagieren Zufallsbeifahrer irritiert.

Die GFKM trägt sich mit Stil zu Grabe. Die erforderliche Zustimmung von Zweidrittel der Mitglieder, die der Auflösung zustimmen, ließ sich längst postalisch erledigen. Edith Petri führt durch die letzte Versammlung, als gebe es für den Verein noch ein Morgen, der sein Restgeld für sein letztes Konzert am 5. Juni mit dem Kammerorchester Mainz ausgeben wird, fast genau 20 Jahre nach der Gründung.

Seit 15 Jahren organisierte die GFKM während des Kultursommers Südhessen bis zu drei Konzerte. Ansonsten veranstalteten Petri und ihre Mitstreiter übers Jahr verteilt mehrere kleinere Geschichten. Die von den Kassenprüfern gelobte Kassiererin Ellen Müller kündigt an, 2016 eventuell nur die Hälfte des Beitrags einzuziehen.

Schlussakkord in Moll

Arnold Böhn, der den Kirchenchor von St. Markus 40 Jahre dirigierte, bedankt sich bei Edith Petri „für die vielen wunderbaren Konzerte“. Und Tristan Gerfelder schlägt die Vorsitzende zum Ehrenmitglied des Vereins vor, worauf sich Michael Ruhr gut vorbereitet präsentiert und einen Blumenstrauß samt Schreibbuch zückt.

Elisabeth Gilmer-Kaiser bringt den Abgesang auf den Schlussakkord in Moll. „Man ist froh, dass man ihn hatte“, vergleicht die Ehrenbürgerin das Finale des Vereins mit dem Tod eines guten Freundes.