Gemeinsam gegen Krankheiten kämpfen Tag der Selbsthilfegruppen in Offenbach

Auch der diesjährige Selbsthilfegruppentag war bei bestem Wetter gut besucht. In diesem Jahr stellten sich gleich mehrere Gruppen zum ersten Mal vor. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Die Selbsthilfegruppen im Gesundheitsbereich in Stadt und Kreis Offenbach und die Paritätische Projekte GmbH hatten unter Schirmherrschaft von Landrat Oliver Quilling und Oberbürgermeister Horst Schneider auf die Frankfurter Straße zum 30. Tag der Selbsthilfegruppen eingeladen. 34 Gruppen präsentierten sich.

Wer sich Gleichgesinnte sucht, um mit ihnen zu kegeln oder Skat zu klopfen, den treibt in der Regel der Spaß an der Sache aus dem Haus. Wer zum Treffen einer Selbsthilfegruppe geht, erhofft sich Rat und Trost bei jenen, die mit der gleichen Krankheit kämpfen wie man selbst.

Männer mit Depressionen

Zum ersten Mal sind die „Männer mit Depressionen“ vertreten. Reine Männergruppen gibt es bundesweit nur drei, erklärt Initiator Jörg Engelhardt. Auf der einen Seite überrascht das nicht. Männer haben kein Problem, detailliert über den Muskelfaserriss zu reden. Sich und anderen jedoch einzugestehen, „mir geht es seelisch miserabel“, das entspricht nicht dem gesellschaftlichen Bild. Je größer der Kampf, desto eindrucksvoller der Sieg. Nur: Unter den bundesdeutschen Selbstmördern sind zwei Drittel Männer.

Absturz und Trauma

Der auf künstlerisch hohem Niveau arbeitende Maler und Fotograf Jörg Engelhardt erzählt, wie er sich vor 15 Jahren fühlte, als sich die Freundin trennte. Die Beziehung beschreibt er als symbiotisch. Er habe alles unternommen, um die Frau nicht zu verlieren, richtete sich in banalen Nuancen nach ihr aus. Das führte zum Gegenteil. Der Absturz folgte. Zum Broterwerb als Verkäufer erschien Engelhardt weiter, ohne einen Tag Pause – bis zum mehrwöchigem Klinikaufenthalt. Damals ernährte er sich von Kaffee und Keksen, wog bei einer Größe von 1,84 Metern 70 Kilo, ging privat nicht mehr ans Telefon, ließ Kontakte versanden, „ich fühlte mich wie nicht mehr existent“. Mit dem Verlust der Frau, vermutet Engelhardt, wiederholte sich das Trauma, das er als Einjähriger erlebte, als die Mutter starb. Mittlerweile fühle er sich stabiler als damals, braucht keine Medikamente mehr. In seiner Gruppe treffen sich regelmäßig zwischen vier und sechs Männer.

Selbsthilfe für Betroffene mit Borderline-Erkrankung

Sandra Ziegler ist gerade dabei, eine Selbsthilfegruppe für Borderliner aufzubauen. Die 37-Jährige erklärt, ihre Krankheit sei vor zwei Jahren diagnostiziert worden. Beim Stichwort Borderline denken viele zunächst mal an Selbstverletzung. Ziegler erzählt, wie sie gegen die Wand schlage, wenn die Spannung zu groß wird. Beziehungen beginnen euphorisch und enden im Fiasko. „Für einen Borderliner gibt es nichts zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.“ Die Gruppe, die Ziegler ins Leben rufen will, soll sich alle zwei Wochen treffen.

Kontakt zu Selbsthilfegruppen

Sabine sitzt am Stand des Vereins Missbrauchsthemen und berichtet, wie sie Beziehungen mit Männern einging, mit denen sie Sexualität vermeiden konnte. Einer lebte im Ausland, ein anderer im Knast. Schließlich fand sie einem im realen Leben, den sie heiraten konnte, weil auch er keinen Sex wollte. „Die Liebe sah ich immer als monströsen Berg vor mir“, erzählt die 60-Jährige. Bis Sabine 48 Jahre alt wurde, wusste sie nicht, dass ihr Vater sie zwischen dem dritten Lebensjahr und den Beginn der Pubertät regelmäßig sexuell missbrauchte. Dann kamen die Bilder wieder hervor. Die ein Jahr jüngere Schwester erzählte, das gleiche erlebt zu haben. Kontakte zu einzelnen Gruppen vermittelt Thomas Schüler, Telefon 069 824162 E-Mail: selbsthilfe.offenbach[at]paritaet-projekte[dot]org.

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