Politischer Salon der Awo widmet sich Pipi Langstrumpf und den Kinderrechten „Der Vorrang des Kindeswohls“

Bruno Persichilli (von links), Mechthild Dänner und Jürgen Schädel beim Gespräch nach dem Vortrag. Foto: Mangold

Offenbach (man) – Über Jahrhunderte galten Kinder lediglich als Eigentum ihrer Eltern. Rechte besaßen sie bis vor kurzem so gut wie keine. Als die schwedische Autorin Astrid Lindgren vor 75 Jahren „Pipi Langstrumpf“ veröffentlichte, gehörte es auch hierzulande noch zum erzieherischen Repertoire, dem Nachwuchs ins Gesicht zu schlagen, sowie Gesäß und Hände mit dem Stock zu malträtieren. Auch deshalb faszinierte Pipi die Kinder. Sie war stark, ihr konnte niemand was. Das Mädchen mit den roten Zöpfen hob ein Pferd oder zwei Polizisten hoch.

Aus Anlass des Erscheinungsjubiläums des Literaturklassikers hatte Initiator Bruno Persichilli Ende Januar zum Politischen Salon der Awo in den Else-Herrmann-Saal an der Gördeler Straße Mechthild Dänner und Jürgen Schädel eingeladen. Dänner führt den Vorsitz des Offenbacher Kinderschutzbundes. Schädel leitet beim Jugendamt die Erziehungsberatung. Der Pädagoge zählt in seinem Vortrag Inhalte der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 auf, wie etwa „Das Recht auf Leben und persönliche Entwicklung“. Nach Schätzungen der Münchner Menschenrechtsorganisation Earthlink besteht in den kongolesischen Coltan-Minen ein Drittel der Belegschaft aus Kindern. Der Rohstoff wird für die Produktion von Smartphones verwendet. „Der Vorrang des Kindeswohls“, ist ein weiterer UN-Grundsatz, den Schädel vorliest. Mittlerweile traten alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen der Kinderrechtskonvention bei, Deutschland im Jahr 1992. „Die USA fehlen“, konstatiert Schädel. Den Grund benennt etwa der internationale Verein „Humanium“. Die US-Justiz könne auch für Jugendliche lebenslängliche Haftstrafen verhängen. Ein Drittel der Bundesstaaten erlaube die körperliche Züchtigung an Schulen.

Schädel erwähnt das bundesdeutsche „Gesetz zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung“. Das Bundesgesetzbuch verbietet mittlerweile „körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen“, wie Mechthild Dänner vom Kinderschutzbund ausführt.

Die Änderung von 2000 stand im Kontext zur Kinderrechtskonvention. Das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 stellte noch einen Freibrief für Misshandlung aus. Bis 1957 stand im Paragraf 1631: „Der Vater kann kraft des Erziehungsrechts angemessene Zuchtmittel gegen das Kind anwenden.“

Jürgen Schädel projiziert auch die Erziehungsgrundsätze des Offenbacher Jungendamts an die Wand. Dazu gehört etwa „Der unbedingte Respekt vor allen Kindern.“ Das falle nicht immer ganz leicht, „Kinder, die nicht reden können, drücken sich anders aus“. Pädagogen müssten sich deshalb ständig weiterbilden, um auch in Stresssituationen so besonnen wie möglich zu reagieren.

Mechthild Dänner berichtet, was sonst auch Sozialarbeiter und Lehrkräfte erzählen. Viele Offenbacher Kinder wachsen in autoritären, patriarchalisch geprägten Verhältnissen auf, fernab von freier Diskussionskultur. Das Schlagen von Kindern gehört nach wie vor dort zum Repertoire, wo die Männer unter dem ständigen Druck stehen, sich als Tausendsassa gerieren zu müssen. Von betroffenen Kindern weiß Dänner, „auch in Moscheen wird gezüchtigt“.

Der Kinderschutzbund biete Erziehungshilfen an, „die von Müttern auch genutzt werden“. Jürgen Schädel ergänzt, trotz der vielfachen Gewaltbereitschaft gegen Kinder, herrsche in den allermeisten Offenbacher Familien das Bewusstsein, „in Deutschland ist das Schlagen von Kindern verboten“. Bruno Persichilli liest noch von einer besonderen Furcht der sonst angstfreien Pipi Langstrumpf vor, „bald werde ich zehn, dann liegt die beste Zeit schon hinter einem“.