Stadtschreiberin Marion Poschmann hält ihre Antrittslesung Eine Reise zu den Kieferninseln

Alexandra Weizel (links) im Gespräch mit Stadtschreiberin Marion Poschmann.

Bergen-Enkheim (jf) – Kuschelig warm war es nicht gerade in der Nikolauskapelle. Das hatte die Besucher jedoch nicht abgeschreckt, zur Antrittslesung von Marion Poschmann zu kommen, der 49. Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim. Fast alle Stühle waren besetzt, als Ortsvorsteherin Alexandra Weizel die Veranstaltung eröffnete und die Autorin vorstellte. Die 1969 in Essen Geborene studierte nach dem Abitur Germanistik, Philosophie und Slawistik. Von 1997 bis 2003 unterrichtete Poschmann Deutsch im deutsch-polnischen Grundschulprojekt „Spotkanie heißt Begegnung“.

Die Schriftstellerin schreibt sowohl Prosa als auch Lyrik und erhielt bisher mehr als 30 Auszeichnungen, darunter auch den Stadtschreiberpreis 2022/23.

Während eines Stipendiums besuchte sie Japan, 2017 erschien ihr Roman „Die Kieferninseln“ und landete auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises – es war die zweite Nominierung dieser Art für Poschmann.

Dem Text stellte sie Worte des japanischen Dichters Matsuo Basho voran: „Willst du etwas über Kiefern wissen – geh zu den Kiefern.“ Der Roman beginnt damit, dass Gilbert Silvester träumt, er sei von seiner Frau betrogen worden. Diesen Traum kann er nicht abschütteln und verlässt nach einem abendlichen Streit mit seiner Frau Mathilda die Wohnung – ausgerüstet mit einer Ledertasche, ein paar Sachen, Pass und Kreditkarten. Silvester übernachtet im Flughafen und sitzt am nächsten Morgen in einem Airbus nach Tokyo – es war der am kurzfristigsten buchbare Interkontinentalflug.

Silvester ist ein „unscheinbarer Wissenschaftler“, der es im universitären Betrieb nicht verstanden hatte, die Karriereleiter zu erklimmen. Sein derzeitiges Thema ist die Bartforschung „im Rahmen eines Drittmittelprojekts“. Die Flugroute nach Japan führt „ausschließlich über Teeländer“, Silvester bevorzugt aber Kaffee.

Nach dem ersten Kapitel, in dem der Protagonist noch den Studenten Yosa vom Selbstmord auf dem Bahnhof abhalten kann, erzählte Marion Poschmann ein bisschen über Japan. Die Zeilen des Haiku-Dichters Matsuo Basho, dessen Reisebuch zu den Kieferninseln „Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland“ sowohl zu Poschmanns als auch Silvesters Lektüre gehört, begleitet das Pilgern der beiden Männer. Yosa hat jedoch noch ein ganz eigenes Buch dabei, es ist eine Anleitung zum Suizid. „Die Japaner haben ein anderes Verhältnis zum Selbstmord, das ihrer Kultur und Tradition entspringt“, erklärte Poschmann.

Beide Protagonisten begeben sich in den Wald am Fuße des Fujiyama, ein begehrter Ort für Selbstmörder – und voller Hinweise, sich das Vorhaben nochmals zu überlegen. Die Männer verirren sich trotz des gelben Absperrbandes, das Ariadnes Faden ersetzt, kommen aber beide wieder aus diesem Geisterwald heraus.

Im anschließenden Gespräch zwischen Weizel und Poschmann verriet die Autorin, dass sie während ihres Aufenthalts in Japan selbst auf den Kieferninseln war. „Manche sind nur einen Quadratmeter groß“, sagte die Schriftstellerin. Sie war von den dichtenden Mönchen und den Haikus fasziniert, wollte zunächst ein Reisetagebuch schreiben, das ihr aber zu persönlich war. Poschmann beschäftigte sich ebenfalls mit dem Thema Suizid: „Es ist in Japan äußerst präsent, auch heute noch.“

In den ersten drei Monaten des Stadtschreiberamtes war die Autorin viel unterwegs. Nun will sie sich dem Schreiben widmen. Buchhändlerin Anna Doepfner hatte im Foyer genügend Literatur im Angebot, Poschmann signierte ihre Bücher gerne für die Gäste.