Nino Haratischwili wird 50. Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim Erzählerin von Weltformat

Alexandra Weizel liest aus „Das mangelnde Licht“ im neuen Raum der Kulturgesellschaft. Bild: sh

Bergen-Enkheim (sh) – Seit 1974 wird der Literaturpreis Stadtschreiber von Bergen-Enkheim verliehen, ins Leben gerufen vom Bergen-Enkheimer Schriftsteller Franz Joseph Schneider. In Erinnerung an dessen Frau Annemarie „Ammes“ Schneider findet jene Lesung statt, bei der das gut gehütete Geheimnis um den nächsten Stadtschreiber gelüftet wird. Diese Ehre wird nun der deutsch-georgischen Schriftstellerin, Dramatikerin und Regisseurin Nino Haratischwili zuteil. Sie wird am 1. September zur 50. Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim ernannt und folgt damit auf die Lyrikerin Marion Poschmann.

Für die Lesung und Bekanntgabe hatte die Kulturgesellschaft Bergen-Enkheim einen eigenen Raum bezogen: In einer ehemaligen Modeboutique im Erdgeschoss des Hessen-Centers gibt es jetzt Literatur statt Leinenhosen. „Wir haben den Raum zu günstigen Konditionen für einige Monate bekommen, um das Jubiläum 50 Jahre Stadtschreiber von Bergen-Enkheim angemessen präsentieren zu können“, sagte Mark Gläser, der viel Applaus für seinen Einsatz für die Stadtschreiberei erhielt. Bevor die Ortsvorsteherin Alexandra Weizel Einblicke in Haratischwilis „Das mangelnde Licht“ gab, das eindringlich die Geschichte der Post-Sowjetunion am Beispiel Georgiens erzählt, las Kulturredakteur Ulrich Sonnenschein aus Wilhelm Genazinos „Bei Regen im Saal“. Charlotte Brombach aus der Stadtschreiberjury gedachte mit ihrer Lesung der kürzlich verstorbenen Stadtschreiberin Ruth Schweikert, die kurz nach Erhalt der Auszeichnung im Jahr 2015 an Brustkrebs erkrankte. Brombach las aus „Tage wie Hunde“ und die Erschütterung über den Tod der Autorin war ihr deutlich anzumerken. Ebenso gedachte sie dem im vergangenen Dezember verstorbenen Wulf Kirsten (26. Stadtschreiber von Bergen-Enkheim) mit zwei Gedichten.

Mark Gläser trug zur Aufheiterung humorvolle Gedichte von Robert Gernhardt vor, bevor sich Alexandra Weizel schließlich der künftigen Stadtschreiberin Nino Haratischwili zuwandte. Eine „Erzählerin von Weltformat“, die bleibende Bilder und starke Figuren zeichne – so hieß es in der Begründung der Stadtschreiberjury. Sie sei eine der weiblichen Stimmen, die sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzt, attestierte ihr die Jury.

Haratischwili wird beim Stadtschreiberfest am 1. September den Schlüssel für das Stadtschreiberhaus von Marion Poschmann entgegennehmen, in dem sie für ein Jahr mietfrei wohnen darf – aber nicht muss. Zudem ist der Preis mit 20.000 Euro dotiert, sodass sich die Preisträger ein Jahr lang möglichst sorgenfrei der Schriftstellerei widmen können.