Geschichten von großem Leid und Menschlichkeit Zweiter Band von Frankfurter „Kriegskinder“ ist draußen

Lilia Krivoruk und Rudolf Heinemann, rechts Elena Grinberg. Foto: Faure

Ostend (jf) – Krieg ist schlimm. Am allerschlimmsten ist er für die Kinder. Zwölf heute Erwachsene aus Russland und Deutschland haben sich erinnert und aufgeschrieben, was sie damals erlebten. Daraus ist ein Büchlein geworden, es ist sogar der zweite Band der Erzählungen „Kriegskinder“, die erste Broschüre erschien im Mai 2015.

Das druckfrische neue Exemplar wurde im Feldmann-Zentrum vorgestellt. Sofja Vinarskaia begrüßte die Schreibenden und die Gäste: „Vor 75 Jahren ist die Sowjetunion überfallen worden. 70 Millionen Menschen starben im Zweiten Weltkrieg. Es ist schwer, die Erzählungen derer zu lesen, die diese Zeit – damals als Kinder – erleben mussten. Noch schwieriger allerdings war es, diese Geschichten aufzuschreiben. Sie sind eine Mahnung für künftige Generationen.“ Die Pianistin Tanja Bardzilovskaya eröffnete anschließend die kleine Feierstunde mit einem Mozart-Stück.

Manfred Buddeberg moderierte die Veranstaltung. Elena Grinberg las die russischen, Ulrike Fausel die deutschen Textpassagen – es war ein Querschnitt aus allen Erzählungen. So berichtete Lilia Krivoruk davon, dass ihre Mutter, die als Kassiererin in der Verwaltung arbeitete, aus Pflichtgefühl ihrer Tätigkeit gegenüber den Zeitpunkt der Evakuierung aus einer russischen Stadt verpasste.

Geschichten von früher

Schließlich gelang es, dass die Großmutter, die Mutter und die anderthalb- und zweieinhalbjährigen Töchter doch noch die Stadt mit einem der letzten Wagen verlassen konnten. Grundnahrungsmittel in dieser Zeit: Sonnenblumenkerne.

Eine Tochter der Großmutter, Tante Raja, war trotz ihrer jüdischen Wurzeln in Kiew geblieben, konnte sich eine Zeit lang verstecken und wurde schließlich verraten. Mit ihrem Säugling auf dem Arm war sie bereits unterwegs zur Sammelstelle für Juden, aber zwei befreundete Frauen rieten ihr zur Flucht. Denn die Meldung bei der Sammelstelle wäre das Todesurteil gewesen. Tante Raja, Großmutter, Mutter und die zwei Mädchen überlebten die beschwerliche und gefährliche Zeit, Rajas älteste Tochter Lena jedoch nicht.

Als die Bomben fielen

Rudolf Heinemann, 1937 in Kelkheim im Taunus geboren, war bis 1943 tagsüber in einem Kloster untergebracht, die Mutter arbeitete in Frankfurt. Er erinnerte sich an die Bombennächte. Eine Phosphorbrandbombe fiel am Abend des 20. Dezembers 1943 direkt in sein leeres Kinderbett. Die Mutter hatte aufgrund des Alarms den Jungen nicht rechtzeitig abholen können – ein Glück, so überlebte er. Zwei russische Zwangsarbeiterinnen, Sonja und Dunja, die in der Stuhlfabrik Escher in Kelkheim schuften mussten und dem kleinen Jungen insgeheim abends die Zahlen auf Russisch beibrachten, hatten weniger Glück und wurden noch kurz vor Kriegsende ermordet. Rudolf Heinemann wird diese Zeit nie vergessen. Später interessierte er sich für die Hintergründe des Krieges, sprach mit Überlebenden, engagiert sich bis heute als überzeugter Kriegs- und Nazigegner.

Zwei Geschichten von zwölf, von russisch-jüdischen und deutschen Kriegskindern aufgeschrieben. Alle haben das gleiche Ziel: Aufrütteln und dafür eintreten, dass solche Grausamkeiten nie wieder passieren. Es fiel allen schwer, aus diesen Geschichten zu lesen – aber allen war auch bewusst, wie wichtig es ist, diese Erlebnisse den Jüngeren zu berichten. Damit solche Dinge nicht noch einmal passieren.