Performances der Winterwerft machen Lust auf mehr Antagon begeistert mit „KlimaX“

Schreck angesichts des eigenen Spiegelbildes: Szene aus der Performance „KlimaX“. Foto: Faure

Fechenheim (jf) – Sechs Männer und Frauen auf jeweils vier Stelzen, in desolate weiße Shirts, Hosen und Tücher gekleidet, kommen von den Seiten und zwischen den Zuschauern hindurch auf die Bühne der Halle des Protagon-Geländes in Fechenheim-Nord. Die Performance des an der Orber Straße ansässigen Künstler-Kollektivs Antagon „KlimaX“ ist nur einer von vielen Programmpunkten, die es bei der Winterwerft – sowohl live als auch digital – zu bewundern gab.

Die Stelzenmenschen werden schließlich von drei in weiße Schutzanzüge gehüllten, Masken tragenden Gestalten weggescheucht. Aus ihren uniformen Overalls schälen sich menschliche Individuen, die ihr Inneres, blutrote Tuchadern, den Zuschauern lächelnd darbieten. Es ist eine einladende Geste, keine abstoßende.

Eine Gruppe „Automaten“ erscheint auf der Bühne, bewegt sich mechanisch, immer wieder fallen die Figuren in sich zusammen. Ihr Auftritt wird von der Liveband musikalisch begleitet.

Ein Mann mit Schubkarre kippt einen in Draht Gefangenen ab, der sich erfolglos zu befreien versucht und auf der Bühne taumelt. Die auferstandenen Automatenpuppen sind mit sich selbst beschäftigt, telefonieren, gestikulieren, sind in Eile. Es gibt Streit. Wer hat das Sagen? Schließlich zieht jeder an jedem, ein chaotischer Knoten schleppt sich ins Off.

Von links weht Nebel auf die Fläche, eine zauberhafte Tänzerin bewegt sich anmutig durch paradiesische Gefilde. Doch von rechts schwappt eine Welle auf sie zu. Plastikmüll? Oder Flüchtende? Kann sich die Tänzerin retten?

Eine Uhr wird wie ein Pokal vorangetragen, aber die Gesichter der Akteure drücken keine Freude, sondern Hast und Entsetzen aus. Ist es schon zu spät?

Abgelöst werden die Zweifelnden von drei energischen Männern, die wichtigtuerisch Tische hin und her rücken. Drei Frauen kommen dazu, aber man begegnet einander nur oberflächlich, gerät in eine zerstörerische Ekstase, die Musik treibt die Menschen, wird laut und wild.

Eine große Trommel wird zum Podium für eine erstaunliche akrobatische Tanzdarbietung, bei der sich Eleganz und Kraft harmonisch verbinden. Das Solo wird von Trommelschlägen des Ensembles auf den Rand des Podests begleitet.

Dann taumelt ein Tänzer herein, er trägt Zweige. Langsam beleben alle Akteure die Fläche, heben sorgsam die Zweige auf, halten sie in die Höhe. Beifall brandet auf und hält lange an, der Applaus würdigt die hervorragende Performance des Antagon Kollektivs.

1990 gründete Bernhard Bub diese künstlerische Lebensform, der sich inzwischen 300 Menschen zeitweise angeschlossen haben. „Das war gerade eine Premiere“, sagt Bub nach der Vorstellung, „wir haben erstmals in der Halle gespielt. Eigentlich ist das Straßentheater. Damit sind wir im vergangenen Jahr in die Stadtteile gegangen, wollten Menschen, die sonst wenig Berührung mit Kunst haben, Theater nahe und Energie auf die Straße bringen.“

Knapp 20 Mitglieder hat das Antagon Kollektiv zurzeit. Fast jede Frau und jeder Mann hat studiert, Theater bereits ausprobiert in Brasilien, Finnland, Frankreich, Spanien, Großbritannien, Norwegen und den Niederlanden. Eines der größten und am längsten bestehenden Freien Theater hat bei der Winterwerft wieder überzeugt und Lust auf die Sommerwerft gemacht.