Die Pietà des Frankfurter Doms wird behutsam restauriert Mit Augenmaß, Geduld und Spucke

Die Pietà von Caspar Weis in einem besonderen Atelier: Sie wird dieser Tage im Dommuseum in der Altstadt restauriert. Foto: Faure

Altstadt (jf) – Das Gesicht der Mutter ist nicht schmerzverzerrt. Es ist zwar traurig, aber gefasst. Sie hält ihren erwachsenen toten Sohn auf dem Schoß, sieht in sein friedliches Gesicht, aus dem alles Leben, aber auch alle Qual gewichen sind.

Die 1913 vom damals 64 Jahre alten Bildhauer Caspar Weis geschaffene neogotische lebensgroße Pietà, wohl Krönung seines Werkes, ist seit mehr als 100 Jahren im Dom ein Symbol der Anbetung und Verehrung. Das hat Spuren hinterlassen: Die 160 Kilogramm schwere, vermutlich aus verleimtem Lindenholz geschnitzte und in kostbare Farben gefasste Skulptur hat Brand- und Wasserschäden von umgefallen Blumenvasen und allzu nah aufgestellten brennenden Kerzen.

Bettina Schmitt, Kunsthistorikerin und Leiterin des Dommuseums, begrüßte dort zur ersten Veranstaltung „nach gefühlt hundert Jahren“ Interessierte zu einem Vortrag über die Restaurierung der Pietà. Die Arbeiten führen Moya Schönberg und Anke Becker, unterstützt von Friederike Schönberg, seit dem 22. Februar aus. „Caspar Weis nutzte die Sgraffito-Technik, bei der Farben in Schichten aufgetragen und Teile wieder abgekratzt werden. Der Künstler hat die Ornamente bis in die letzte Ecke ausgearbeitet“, erklärte Moya Schönberg.

1994, anlässlich der 1200-Jahrfeier der Stadt Frankfurt, war die Pietà das letzte Mal restauriert worden. Inzwischen hatte sich ihr Zustand bedenklich verschlechtert. „Unser Ziel ist es, nicht alles wegzuputzen. Wir wollen schließlich keine neue Figurengruppe daraus machen“, erklärte die Restauratorin. „Die Verehrung der Pietà ging dem Kunstwerk sehr nahe: Die Gläubigen ergriffen die herunterhängende Hand von Jesus, legten ihre Stirn dabei auf den Oberarm der Figur, streichelten die Lanzenwunde und den rechten Fuß mit der Nagelspur“, berichtete Bettina Schmitt.

Das kostbare Gewand Marias – der goldene Saum des Mantels misst 6,80 Meter – schimmerte ursprünglich in leuchtendem Blau, die Brokatfarbfassung war kunstvoll herausgearbeitet. 1914 erhielt die Pietà ihren Platz in einer mit einem Bogen gerahmten Nische unter der Orgelempore. Beim Wiederaufbau des Doms ab 1947 unter der Leitung von Hermann Mäckler und Alois Giefer – sie legten weniger Wert auf Neobarock als vielmehr auf den „Geist der Moderne“ – ging viel historische Substanz verloren. Ein Wunder, dass die Pietà erhalten blieb. Nach 1994 wurde sie in der Scheid-Kapelle aufgestellt und damit dem Tageslicht ausgesetzt, was zu Rissen im Holz führte. Allerdings sind diese nicht so tief, dass die Figuren ernsthaften Schaden nahmen.

„Die Expertinnen haben mit viel Geduld und Spucke gearbeitet“, bemerkte Schmitt. Spucke? Das Sekret ist tatsächlich ein wichtiges und schonendes Reinigungsmittel. „Wir sind in erster Linie Konservatoren“, unterstrich Schönberg. Und lobte das ungewöhnliche „Atelier“ im Dommuseum.

Die Fachfrauen gingen sehr behutsam vor, entfernten zunächst den Staub, analysierten die Fehlstellen, trugen das von den vielen Berührungen stammende Fingerfett ab, sichteten die Farbschichten. Ein weiteres wichtiges Material bei Restaurierungsarbeiten ist Störleim. „Schon zwei Gramm auf 100 Milliliter Wasser ergeben eine flexible, gut zu verarbeitende Flüssigkeit“, verriet Schönberger.

„Und der blank gestreichelte Fuß wird noch bearbeitet?“, fragte eine Besucherin. „Nein, das blanke Holz wird weder ergänzt noch übermalt“, antwortete die Expertin. Restaurierung sei immer ein Kompromiss, grundlegende Entscheidungen werden demzufolge auch in großer Runde getroffen.

Eigentlich sollten die Arbeiten bereits im Mai beendet werden, aber es wird wohl bis Ende Juni dauern, bis die Pietà wieder zurück in die Scheid-Kapelle kommt. Etwas höher soll sie dann stehen. Ob das diese beliebte Maria mit ihrem toten Sohn vor allzu nahe gehender Verehrung schützt, bleibt eine Hoffnung der Restauratorinnen und der Leiterin des Dommuseums.