Die Gemälde des 40-teiligen „Bestiarium der Quarantäne“ sind in drei Monaten im Frühling 2021 entstanden. Bykowa hatte während des Shutdowns Zeit, um sich eingehend mit mittelalterlicher Buchmalerei zu beschäftigen, wo sie die wundersamen Wesen entdeckte, die sie inspirierten.
„Mariia und ich trafen uns gelegentlich auf Kunsthandwerksmärkten und kamen bei der Eröffnung des Kulturpavillons von Polymer FM im vergangenen Jahr miteinander ins Gespräch“, berichtete Hagemann. „Ihre Bilder und Zeichnungen und ihre Verbindung zur Natur haben mir gefallen. Dann habe ich ihr ‚Bestiarium der Quarantäne’ gesehen, diese farbenfrohen Tuschzeichnungen sprachen mich sofort an. So war die Idee, Texte dazu zu schreiben, geboren.“ Vor ein paar Wochen rief Sabine Lauer an, fragte, ob sich die beiden einen Poesie Salon mit Bildern und Texten vorstellen können. Dann nahm das Projekt noch mal Fahrt auf.
„Fechenheimer Polizei warnt vor Betrügerduo“, heißt es in der ersten Geschichte. Zwei bärtige Gesellen, einer mit Vogelfüßen, der andere mit Schnabelschuhen, halten ein Wappen hoch. Es sind die Initialen von Mariia Bykowa, das B sitzt wie eine Brille auf dem M.
Es folgen fünf weitere Geschichten zu Bildern mit Fabelwesen, seltsame Kreaturen tummeln sich auf den Zeichnungen, nicht furchterregend, aber schon ein bisschen skurril und mystisch. Die Zuhörer werden vom Zauber der detailreichen, mit vielen Ornamenten geschmückten und farbenfrohen Tuscharbeiten und von den wundersamen Erzählungen gefangen genommen. So wie auf den Bildern gibt es in den Texten spannende Wendungen, unwahrscheinliche Zusammenhänge und fantastische Ereignisse.
Bewegen sich Kobolde zwischen den Pflanzen? Können sich die Bestis und der Buchmaler Pictus in ein Gemälde begeben, wenn sie ein paar Tage hungern und flach wie Papier werden? Tummeln sich Schabernackt, Kuriosalinde, Hollerhase und Rüsseltupf tatsächlich im Luftmeer? Wird der Streit zwischen Aprillio und Tempório ein gutes Ende nehmen? Was will der Nachtmahr wirklich? Hagemann ruft zum Mitmachen auf, fünf Worte soll ihr das Publikum zurufen, daraus will sie in der Pause eine Geschichte zu einem Bild schreiben.
Im zweiten Teil des Poesie Salons textet sich die Journalistin vor und zurück durchs Alphabet – und alles ergibt sogar einen Sinn. Im „Entertainer“ wird eine strenge, arrogante Jury aus Hasen aufs Korn genommen, im „Glück“ dreht sich das Rad der Zeit und vermittelt: Nie gibt es endloses Glück, nie endloses Unglück. „Der Einsiedler“ sieht vor lauter schlechter Nachrichten das Schöne nicht mehr, im „Klang“ wird auf die Entstehung der Musik angespielt. „Essensfragen“ unter Knochenmännern? Schwierig, noch dazu wenn ein Kleines quengelt: „Skeletti will Spaghetti“. Da sind Rippchen mit Kraut und Äppler aus dem Gerippten wohl eher angebracht. Die Improvisation gelingt, „Das Schlingeltier“ setzt den Schlusspunkt des Poesie Salons. Bykovas Kunstdrucke können anschließend nebst Ausdruck der dazugehörenden Geschichte erworben werden. Mit 50 Prozent des Verkaufserlöses unterstützt Bykova ihre Familie in der Ukraine sowie Hilfsorganisationen.