Wie Einzelhändler ihre Kunden digital binden / Social Media ist unverzichtbar Einkaufen per Whatsapp

Zeigt her eure Schuhe: Der Laden von Sabine und Peter Hill wird um die digitale Warenschau erweitert. Bild: sge

Obertshausen – Normalerweise ist der Sonntagnachmittag für einen Einzelhändler Zeit der Entspannung. Doch Sabine und Frank Hill tauchen auch dann ins Internet und schauen in die Ergebnislisten von Laufwettkämpfen. Und wenn dort Kunden von ihnen gut abgeschnitten haben, dann schreiben sie entsprechende Kommentare bei Facebook oder Instagram.

Die beiden Social-Media-Kanäle mögen immer noch viele Menschen als harmlose Plauderplattformen abtun – für Unternehmer wie die Hills sind Präsenzen dort eine der Voraussetzungen für den geschäftlichen Erfolg. Denn was heute Digitalisierung im Einzelhandel bedeutet, beweisen die Hills mit ihrem Geschäft Nowalala in der Heusenstammer Straße. Sie bieten ihren Laufsport- und Triathlonkunden nicht nur eine aufgeräumte Website, eine Kundendatei, einen Onlineshop und einen Newsletter per E-Mail – sondern auch Kundenbindung per Social Media.

Insgesamt drei Stunden pro Woche investieren beide in Inhalte für die Nowalala-Präsenzen auf Instagram und Facebook. Sie informieren über neue Ware, manchmal auch per Video, mit einer Mitarbeiterin als Präsentator und grüßen ihre Community mit stimmungsvollen Laufbildern. Zusätzlich betreibt Sabine Hill noch einen privaten Instagram-Kanal. Aber die Kommunikation ist wechselseitig. Die Hills müssen auch reagieren, etwa wenn Facebookfreunde Fragen stellen oder einen Nowalala-Beitrag kommentieren. „Interaktion und Antworten müssen immer zügig erfolgen“, sagt Frank Hill.

Laut Studie des Handelsforschungsinstituts EHI (Köln) kommuniziert heute die Hälfte der Marketingabteilungen der Handelsunternehmen vor allem in Social Media. Zwei Drittel der Firmen verfügen über ein Budget für gesponserte Posts oder Anzeigen in Social Media.

Das EHI hatte dafür nur Großbetriebe befragt, nicht kleine Händler wie die Hills, die ihre eigenen PR- und Marketingabteilung sind. Doch sie würden gut zu den Studienergebnissen passen. Denn auch sie investieren zusätzlich Geld in Facebook-Werbung. 100 Euro koste dort etwa eine exakt regional ausgesteuerte Anzeige, wie für den Abverkauf. Billiger und zielgruppengerechter seien diese Werbungen als die klassischen Werbekanäle.

Sylvie Vidak hat zwar keinen Onlineshop, aber sie nutzt das Internet ebenfalls für den Verkauf. Die Betreiberin der Modeläden Anamori (Obertshausen und Oberursel) und P3 (Hausen) nutzt neben den Social-Media-Kanälen (etwa mit Videos vom Besuch der Modemesse in Amsterdam) die Shoppingfunktion des Nachrichtendienstes Whatsapp.

Die Kundinnen können sich dafür mit ihrer Mobilnummer registrieren lassen (oder werden eingeladen) und erhalten dann täglich von Vidak Neuigkeiten aus den Läden. Das sind dann Mode-Tipps, die entweder vom Personal oder von einem professionellen Model präsentiert werden. Im Status des Kontos gibt es eine Produktübersicht sowie Adresse und Website der drei Läden.

Begonnen hatte Vidak mit diesem Angebot während der Pandemie, als auch ihre Läden geschlossen werden mussten – und sie gezwungen war, sich etwas einfallen zu lassen, um sichtbar zu bleiben. Und weil Whatsapp so gut lief, „habe ich das beibehalten“, sagt die Händlerin und spricht von mittlerweile 1500 Kontakten – nicht nur aus dem Kreis Offenbach.

„Das Whatsapp-Angebot ist ein Katalog, in dem die Kundinnen stöbern können“, sagt Vidak. „Die Menschen haben keine Zeit mehr, durch Geschäfte zu schlendern.“ Also informieren sie sich am Handy, bestellen per Whatsapp die Ware, kommen in die Läden, um sie dort zu kaufen – oder sie lassen es sich vom Laden nach Hause schicken. Das ist Onlineshopping, nur ohne Webshop. Zudem hat das System eine enorme Kundenbindungskraft. „Wenn ich mal einen Tag nichts poste, fragen die Kunden, ob ich krank sei“, sagt Händlerin Vidak.

Von Steffen Gerth