Grundschulen brauchen kleinere Klassen und mehr Zeit zum Unterrichten Lehrer am Ende ihrer Kräfte

Gesprächsrunde im Lehrerzimmer, von links: Volker Käpernick (Staatliches Schulamt), Frank Lortz (Landtagsvizepräsident), Janine Ackermann (Schulelternbeirat), Roland Herth (Förderverein), Kerstin Biederbick (Leiterin der Betreuung), Ulrike Ludwig (Förderverein), Stefan Dittrich (Personalrat), Evi Hübner (Konrektorin), Sabine Döring (Rektorin).

Jügesheim – Ständig zunehmende Aufgaben und keine Entlastung in Sicht: Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen sind am Ende ihrer Kräfte. Das hat nicht nur mit der Pandemie zu tun, wurde aber dadurch verstärkt. Die Carl-Orff-Schule in Jügesheim schlägt nun Alarm. Schulleiterin Sabine Döring: „Die letzten zwei Jahre haben deutliche Spuren hinterlassen. Alle sind gefordert, neue Wege zu gehen und ein Stück weit zu entschleunigen. Das halten wir so nicht weiter durch.“

Mit diesen Sorgen ist die Jügesheimer Schule nicht allein. „Das höre ich aus allen Grundschulen, merkwürdigerweise aber nicht aus den weiterführenden Schulen“, sagte Landtagsvizepräsident Frank Lortz (CDU) bei seinem jüngsten Besuch in der Carl-Orff-Schule. Der Abgeordnete aus Froschhausen informiert sich regelmäßig über die Lage an der pädagogischen Basis, obwohl er kein Schulpolitiker ist. Mehr als 400 Schulbesuche hat er in seiner fast 40-jährigen Zeit als Abgeordneter absolviert.

„Wir haben so viele Langzeit-Erkrankte wie noch nie“, berichtet die Schulleiterin. Auch viele Kinder seien gesundheitlich angegriffen: „Die ganze Lebensweise ist so, dass wir verstärkt Krankheiten erleben.“

Kleinere Klassen seien eine „zwingende Notwendigkeit“, betont Sabine Döring. Die individuelle Förderung aller Kinder, teilweise auch mit Förderplänen, sei in einer Klasse mit 25 Kindern fast nicht mehr zu schaffen.

Auch die Elternarbeit werde zunehmend zur Herausforderung. Viele Eltern seien verunsichert. Ihr Anteil habe in der Pandemie noch zugenommen: „Diese Familien benötigen Unterstützung. Eigentlich müssten wir hier Erziehungsberatung leisten.“ Die Belastung im Alltag werde immer höher, berichtet Stefan Dittrich vom Personalrat: „Ich habe noch nie so viele Menschen am Ende ihrer Belastbarkeit erlebt. Wir haben gute Leute, aber wir laufen Gefahr, dass sie uns wegbrechen.“

Ein grundlegendes Problem sieht Schulleiterin Sabine Döring darin, dass den Pädagogen immer wieder zusätzliche Aufgaben aufgebürdet werden: „Was hilfreich wäre: dass wir uns wieder auf unser Kerngeschäft des Unterrichtens konzentrieren könnten. Wir sind ja zu 50 Prozent mit Verwaltung beschäftigt.“

Wie wichtig die ersten vier Schuljahre sind, unterstreicht Volker Käpernick vom Staatlichen Schulamt Offenbach: „Der größte Lernzuwachs findet in den Grundschulen statt.“ Während der Corona-Pandemie hätten die Schulen und gerade auch die Carl-Orff-Schule eine hervorragende Arbeit geleistet. Das Schulamt tue alles, um die Schulen zu unterstützen und beispielsweise Vertretungskräfte für erkrankte Lehrer einzustellen.

Eine kurzfristige Entspannung der Lage konnte Abgeordneter Frank Lortz nicht versprechen. An kleineren Klassen werde aber gearbeitet. Der CDU-Politiker erneuerte seine Forderung, Lehrkräfte der Grundschulen besser zu bezahlen. Das werde nicht nur der herausfordernden Arbeit gerecht, sondern sei auch eine Frage der Wertschätzung. In 22 Jahren CDU-Regierungsbeteiligung habe es dafür allerdings bisher keine Mehrheit gegeben: „Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass ich das noch erlebe, dass A 13 die Regelbesoldung an der Grundschule ist.“ Für Lehrer anderer Schulformen gilt diese Soldstufe schon lange.

Von Ekkehard Wolf