Reflektion, Identität, Selbstwahrnehmung Ausstellung „Sur/Face. Spiegel“ im MAK

Sachsenhausen (jf) – Tausendfach kann man sich spiegeln. In Bankenfassaden, Schaufensterscheiben, Fitnessstudios, Ballettsälen, blank gewienerten Böden. In Spiegeln von Umkleiden und beim Friseur. In Spiegeln im eigenen Flur, Bad, Schlafzimmer. Spiegelnde Materialien haben Hochkonjunktur, in der Gegenwartskunst sind sie seit ungefähr zehn Jahren präsent.

Dem Phänomen Spiegel geht die Ausstellung „Sur/Face“ im Museum Angewandte Kunst nach. Vor drei Jahren kam die freie Kuratorin Christine Nippe in den Richard Meier-Bau am Schaumainkai 17 und begeisterte mit ihrer Idee zu einer Exposition Direktor Matthias Wagner K. „Er nahm sofort das Buch ‚Unter lauter Spiegelbildern’ (Rolf Haubl) aus dem Regal, das war der Anfang“, erzählte Nippe. Nun sind auf 1 200 Quadratmetern über 100 Exponate zu sehen, darunter Designobjekte, Möbel, Alltagsgegenstände.

„Design und Kunst mussten gemeinsam präsentiert werden, deshalb haben wir uns für die Ausstellungsarchitektur von zwei Wohnungen entschieden. Außerdem finden die Besucher damit ein vertrautes Ambiente vor. Und die Beziehung zur Frankfurter Skyline, die durch den lichten Richard Meier-Bau immer wieder sichtbar ist, spielt ebenfalls eine Rolle“, erklärte Kuratorin Mahret Kupka, die mit Juliane Duft, Christine Nippe, Matthias Wagner K und assistierend Leonie Wiegand für die Exposition verantwortlich ist. Die Besucher sollen für das Phänomen Spiegel sensibilisiert werden.

„Die Magie des Spiegels liegt im Bestreben, mit sich selbst und anderen in Kontakt zu sein. Dabei geht es nicht nur um den Blick auf Oberflächen, das Thema ist viel komplexer“, sagte Kupka. Spiegel bedeutet Reflektion, Identität, Selbstwahrnehmung, Narzissmus, Fetisch, Entmaterialisierung. Waren Spiegel früher eine rare Kostbarkeit – man denke nur an den berühmten Spiegelsaal König Ludwigs des XIV. in Versailles – sind sie seit dem 19. Jahrhundert aufgrund ihrer industriellen Herstellung für alle erschwinglich und aus Architektur, Design und Alltag nicht mehr wegzudenken.

Doch erst im Kontext mir dem Betrachter entstehen Spiegelbilder. Die Fülle der Objekte, die ständige Betrachtung des eigenen Ichs mag irritieren, der Gast muss sich darauf einlassen. Er begegnet skurrilen Exponaten wie dem Spiegelsessel „Hommage à Philip Johnson“ von Klaus Schmidhuber, der „Evian Bottle“ von Sylvie Fleury, ein gewichtiges Objekt und Statussymbol aus verchromter Bronze. Aus dem gleichen Material sind Fleurys „Prada Shoes“.

Tatsächlich tragbar dagegen sind die silbernen Lederstiefeletten von Maison Margiela. Dem eigenen Bild kann man bei Marco Acerbis’ „Pond Table“ entkommen – dafür spiegelt sich auf der Tischfläche das Grün der Bäume im Metzler-Garten. Und natürlich sind Andy Warhols „Silver Clouds“ – viereckige, silbern glänzende und mit Helium gefüllte Luftkissen ein Hingucker. Die Ausstellung ist bis zum 1. Oktober im Haus am Schaumainkai 17 zu sehen. Einmal mehr gilt: Bitte nicht berühren –denn am Ende jedes Ausstellungstages die Fingerabdrücke der Besucher wegzuwischen ist eine eigentlich nicht zumutbare Arbeit.