Eindeutig bis zweifelhaft Liebieghaus zeigt von 1933 bis 1945 erworbenen Skulpturen

Eva Mongi-Vollmer erläutert die Geschichte eines Objektes. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – „Allein im Jahr 1938 wurden vom Liebieghaus 327 Werke erworben, davon 293 aus den privaten jüdischen Sammlungen von Weinberg und von Goldschmith-Rothschild“, sagte Philipp Demandt, Direktor der Skulpturensammlung.

Im April 1938 wurde die „Anmeldeverordnung“ für jüdische Bürger erlassen, die „Judenvermögensabgabe“ im November 1938 folgte, im Dezember kam die „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ hinzu - nur drei Beispiele von über 2000 antisemitischen Gesetzen und Vorschriften, die während der NS-Zeit erlassen wurden. Bereits 1937 hatte die NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ dazu geführt, dass Kunstwerke aus den Sammlungen entfernt wurden. „Und Städel Mitarbeiter mussten ebenfalls die von ihnen mit aufgebauten Sammlungen wieder auflösen“, erläuterte Demandt. Alfred Wolters, seit 1928 Direktor des Liebieghauses, bat im Frühjahr 1938 den damaligen Oberbürgermeister Friedrich Krebs um seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, weil er den neuen museumspolitischen Leitlinien nicht Folge leisten könne. Krebs lehnte ab.

Geschichten von Kunstwerken und Menschen

„Im Fokus der Ausstellung stehen die Geschichten von Kunstwerken und Menschen. Alle seit 1933 erworbenen Werke werden untersucht“, erklärte Demandt. Zwölf Geschichten stehen stellvertretend für viele. In der Nachkriegszeit konnten nicht alle Fragen aufgeklärt werden. Erst die 1998 auf der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust erlassenen Prinzipien und die 1999 auf Basis dieser Grundsätze von der Bundesregierung verabschiedeten „Gemeinsamen Erklärung“ rückten die Provenienz-Forschung in den Fokus der Ausstellungshäuser. „Dabei sind Provenienzen fast immer lückenhaft“, beschrieb Demandt die schwierige Aufgabe, die am Liebieghaus seit 2015 systematisch vorangetrieben wird.

Iris Schmeisser, Co-Kuratorin, verwies darauf, dass in der Ausstellung das Thema Restitution an Beispielen gezeigt wird. „Insgesamt wurden über 300 Objekte zurückgegeben, bei mehr als 150 weiteren Werken ist die Herkunft unklar“, sagte Schmeisser. Während Gemälde auf der Rückseite oft Hinweise über die Provenienz tragen, fehlen diese bei Skulpturen nahezu vollständig. „Das macht die Recherche schwierig“, erläuterte die Expertin. „Wir stellen an zwölf Objekten unterschiedliche Weisen des Erwerbs vor, jedes Kunstwerk hat eine eigene Geschichte“, unterstrich Kuratorin Eva Mongi-Vollmer. Acht dieser Objekte stammen aus jüdischen Sammlungen. Oft habe OB Krebs Skulpturen aus diesen Konvoluten den Museen direkt zugewiesen. „Doch nicht alle Erwerbungen zwischen 1933 und 1945 waren unrechtmäßig – auch dafür gibt es Beispiele“, sagte Mongi-Vollmer.

Die Ausstellung ist als Parcours in der bestehenden Sammlung gestaltet, besondere Texte heben die Objekte hervor, an sieben Hörstationen sind weitere Details zu erfahren. Philipp Demandt teilt die Objekte in drei große Gruppen ein; rechtmäßig angekaufte, aus jüdischen Sammlungen stammende und in besetzten Ländern erlangte Kunstwerke. Rechtmäßig erworben wurde 1940 beispielsweise das „Grabrelief mit zwei älteren Männern“, Griechenland, um 340 vor Christus. Über den Kontakt des in Rom lebenden Archäologen Ludwig Pollak zum römischen Kunsthändler Alfredo Barsanti konnte das Liebieghaus dieses Werk nach aufwändigen amtlichen Prozeduren ankaufen.

Eine ganz andere Geschichte steckt hinter „Die Christus- und Johannes-Gruppe“, Oberrhein oder Bodensee, um 1350. Im Dezember 1938 hatte die Stadt Frankfurt die Kunstsammlung des jüdischen Indutriellen Carl von Weinberg zu einem Spottpreis erworben. Carl von Weinberg, früher Mitglied des Städelschen Museums-Vereins, hatte die Museen gefördert, war 1928 Ehrenbürger der Stadt Frankfurt geworden und musste zehn Jahre später nach Italien fliehen.

Carl von Weinbergs Schwiegersohn und einziger Erbe, Baron Richard von Szilvinyi, machte 1948 die Rückerstattung der Kunstsammlung geltend. Schwierigen Verhandlungen folgte 1950 eine Stiftung: Mit der Übergabe der „Christus- und Johannes-Gruppe“ an das Liebieghaus soll an Carl von Weinberg erinnert werden. Eine leere Vitrine zeigt eine weitere Position: Der „Kopf eines bärtigen Mannes“, Griechisch, viertes Jahrhundert vor Christus, wurde im Juli 1941 von einem Kunsthändler im besetzten Paris an Vertreter der „Städtischen Galerie Frankfurt“, wie es in Dokumenten heißt, verkauft. Unmittelbar nach Kriegsende erfolgte die Rückgabe an Frankreich. Einiges ist geklärt, anderes nicht. Die Forschung geht weiter – und manchmal tauchen unverhofft auch neue Erkenntnisse auf. Die Ausstellung ist noch bis zum 27. August zu sehen und wird von einem Rahmenprogramm begleitet.