Helden und Typen in der Ausstellung 70 Gemälde und Zeichnungen von Georg Baselitz im Städel Museum

Max Hollein und Georg Baselitz bei der Pressekonferenz. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Extra aus den USA kam Max Hollein als Kurator der Baselitz-Monografie für ein paar Tage zurück an den Main, um gemeinsam mit dem Künstler die Ausstellung zu eröffnen. Es sind die vor rund 50 Jahren entstandenen „Helden“ und „Neuen Typen“, die in der Schau in zwei Stockwerken des Städel gezeigt werden.

Mitte der 1960er Jahre waren eigentlich Popart, Fluxus und die Düsseldorfer Künstlergruppe ZERO – Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker – angesagt. Doch der 1938 in Sachsen geborene Georg Baselitz konnte sich in keine dieser Richtungen einfügen. „Ich bin in eine zerstörte Ordnung hineingeboren worden, in eine zerstörte Landschaft, in ein zerstörtes Volk, in eine zerstörte Gesellschaft. Und ich wollte keine neue Ordnung einführen. Ich hatte mehr als genug sogenannte Ordnungen gesehen“, sagte er 1995 rückblickend in einem Interview.

„Baselitz’ Helden sind uniformierte, desolate Männer, die bestenfalls Kraft schöpfen müssen“, erläuterte Hollein, „es sind verdrängte Gestalten aus der Vergangenheit, die wieder auftauchen, die als unschöne Bilder schockieren.“ Baselitz zeige Haltung mit Versperrtem – das Gemälde „Versperrter Maler“, 1965, verdeutliche die Ausweglosigkeit des Künstlers mit einem amputierten Bein, die Enge, die angedeutete Berliner Mauer, die Deutschland teilt. Baselitz geht mit solchen Bildern ein weiteres Wagnis ein. Der Skandal, den sein Gemälde „Die große Nacht im Eimer“, 1962/63 in der West-Berliner Galerie Werner & Katz auslöste, ist noch nicht so lange her. Der Künstler, der sich in einer Situation der Isolierung, Entwurzelung und Haltlosigkeit empfindet, kann mit dem die Vergangenheit verdrängenden Wirtschaftswunder-Deutschland wenig anfangen. 1965 erhält er ein halbjähriges Stipendium in der Villa Romana in Florenz, dort entstehen seine ersten „Helden“. Er malt gegen alles an, wuchtig, aggressiv, trotzig, wild. Und schafft damit nicht nur einen Markstein im eigenen Werk, sondern Schlüsselwerke der deutschen Kunst der 1960er Jahre.

 Stipendium war ein Befreiungsschlag

„Baselitz’ Werkgruppe wirft sehr viele Fragen auf, die nicht alle beantwortet werden können oder wollen“, sagte Co-Kuratorin Eva Mongi-Vollmer. Das Stipendium sei für den Künstler ein Befreiungsschlag gewesen, Baselitz lernt etwas Anderes kennen. „Seine Bilder gingen der 68er-Bewegung voraus“, stellte Mongi-Vollmer fest.

Georg Baselitz erinnerte sich zunächst an die Worte seiner Frau Elke am Morgen des Presserundgangs. „Du hast deine Zeit nicht vertan“, sagte sie ihm. „Ich habe eigentlich ab 1957 nach hinten geschaut. Vielleicht macht das einen Visionär aus“, dachte der Künstler laut. Er habe nach dem Umzug von Ost-Berlin in den Westen der Stadt 1957 die Freiheit genossen. Es sei eine tolle Zeit gewesen, Samuel Beckett inszenierte noch selbst, es gab viele Musik-Uraufführungen – aber Baselitz habe sich nicht zugehörig gefühlt. „Ich habe immer mit dem Kopf gearbeitet, bis heute, wollte verständlich malen, doch kein Bild passte sich kunstgeschichtlich ein“, äußerte er.

Digitorial bereitet auf Besuch vor

Die Ausstellung ist bis zum 23. Oktober im Haus am Schaumainkai 63 zu sehen. Ein Digitorial unter http://baselitz.staedelmuseum.de bereitet auf den Besuch vor, auch ein Film ist auf der Internetseite des Museums zu sehen. Bei der Audiotour führt Alexander Kluge durch die Schau.