Von Courbet bis Kirkeby Neue Ausstellung im Museum Giersch

Gleich zu Beginn des Rundgangs blickt der Besucher auf diverse Porträts von Künstlern, die Frankfurt zur temporären Heimat wählten. Foto: Faure

Sachsenhausen (jf) – Seit Jahrhunderten ist das Rhein-Main-Gebiet auch Transit-Region. Menschen kommen, bleiben Wochen oder Jahre, ziehen wieder weg. Welche Künstler von der Mitte des 19. bis zum Ende des 20. Jahrhunderts Rhein-Main temporär zu ihrer Wahlheimat erkoren hatten, beleuchtet die neue Ausstellung im Museum Giersch der Goethe-Universität an über 50 ausgewählten Maler- und Bildhauerbiografien.

„Die Exposition ist das Pendant zur Ausstellung ‚Faszination Fremde’, die vor dreieinhalb Jahren im Haus zu sehen war“, erläuterte Manfred Großkinsky, Leiter des Museums und Mitkurator der Schau. Schon damals sei die Idee geboren wurden, Künstler-Migration zu thematisieren. „Bei der Recherche sind wir auf Bekannte, Unbekannte und Vergessene gestoßen. Wir haben uns den Künstlern über die Biografien genähert, aber nicht immer war alles auffindbar“, ergänzte Mitkuratorin Susanne Wartenberg.

Bei Gustave Courbet liegen die Dinge klar: Bereits 1852, 1854 und im Frühjahr 1858 wurden in Frankfurt einzelne Gemälde Courbets ausgestellt. Im August 1858 kam der französische Künstler selbst an den Main, seine Bilder waren also bereits bekannt und wurden viel diskutiert, da Courbet sich dem Alltagsleben der Landbevölkerung zuwandte, wirklichkeitsnah – realistisch also – malte, Armut und Isolation thematisierte. Das war ungewöhnlich zu jener Zeit. Doch er fand in den Frankfurter Künstlern Karl Peter Burnitz, Victor Müller, Angilbert Göbel, Anton Burger und Otto Scholderer Verbündete, die sich in ihrer Darstellungsweise und den Inhalten ihrer Bilder von ihm anregen ließen. Courbet blieb bis Februar 1859 in Frankfurt; ein Streit mit dem Landschafts- und Genremaler Jakob Becker über die Ausführung von Details führte dazu, dass Courbet das vom Städelschen Kunstinstitut zur Verfügung gestellte Atelier im Deutschherrenhaus räumen musste. Allerdings war der Aufenthalt in Frankfurt äußerst produktiv.

Einfluss auf Frankfurter Künstler

Courbets bedingungsloser Freiheitsdrang und sein selbstbewusstes Auftreten beeinflussten die Frankfurter Künstler. Anton Burger beispielsweise zog nach Kronberg im Taunus, wo er die dortige Malerkolonie nach dem Vorbild der Schule von Barbizon mitbegründete. 1902 formierte sich mit Ferdinand Brütt und Robert Hoffmann in Kronberg und Rudolf Gudden sowie Wilhelm Trübner der „Frankfurt-Conberger-Künstlerbund“. Wilhelm Trübner war bereits 1896 nach Frankfurt gekommen, sein Atelier entwickelte sich zum Sammelpunkt der Impressionisten. Im privat geführten Arbeitsraum hatten auch Kunststudentinnen Zutritt – Frauen waren damals nur eingeschränkt im Kunstbetrieb zugelassen. Trübner bot ihnen viele neue Möglichkeiten, sich aus- und weiterzubilden.

1899 gründete Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein die Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt. Er berief junge Künstler, stattete sie mit einem festen Einkommen aus und ermöglichte ihnen Freiräume. Freie und angewandte Kunst begegneten und inspirierten einander. Selbstverständlich spielten auch Galeristen im Kunstbetrieb der Region eine große Rolle, Ludwig Schames (1852-1922) und nach Ende des Zweiten Weltkriegs Hanna Bekker vom Rath (1893-1983) sind dabei herausragende Persönlichkeiten. Sie boten Künstlern eine Plattform und ein Netzwerk.

Frankfurter Künstler während der Naziherrschaft

Die Naziherrschaft zwang viele Künstler, Frankfurt zu verlassen; der entlassene Max Beckmann ging nach Amsterdam, Willi Baumeister fand in einer Lackfabrik in Wuppertal bei einem Freund und Unternehmer Unterschlupf, jüdische Künstler emigrierten ins Ausland. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich viele Kunstformen nebeneinander und gleichberechtigt. International bekannte Künstler wurden als Dozenten berufen, wie beispielsweise der Däne Per Kirkeby. Er lebte von 1989 bis 2000 in Frankfurt und gestaltete unter anderem die Deutsche Nationalbibliothek.

Die Ausstellung im Haus am Schaumainkai 83 bietet einen Blick auf ganz unterschiedliche Künstler, ihre Motivationen, in die Rhein-Main-Region zu kommen und sie auch wieder zu verlassen – nicht immer freiwillig. Die Exposition ist bis zum 22. Januar 2017 zu sehen und wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet.