Dietzenbacher gehen beim Trauermarsch für Sedat Gürbüz auf die Straßen „Wir stehen auf gegen Rassismus“

Am Haus der Familie Gürbüz endete der Trauermarsch. Dort gedachten die Teilnehmer des ermordeten Sedat Gürbüz bei einer Schweigeminute. Foto: Schmedemann

Dietzenbach (liz) – „Wir stehen auf gegen Rassismus, wir trauern um Sedat Gürbüz.“

Klare Aussagen auf den Bannern, die keiner weiteren Worte bedürfen. So setzt sich der „Schweigemarsch“ für den bei dem Anschlag in Hanau ermordeten Dietzenbacher in Bewegung.

„Er war nicht zur falschen Zeit am falschen Ort – er war dort, wo er sein wollte“, sagt ein Teilnehmer. Sedat war Mitinhaber der Shishabar „Midnight“, die das erste Ziel des Täters war. Der Mann fährt fort: „Das ist das Schlimme, dass man ihn dort aus seinem jungen Leben reißt.“

Die Trauer sitzt tief. Während des Schweigemarsches, der auf dem Europaplatz beginnt, halten manche Teilnehmer Kerzen in der Hand. Andere tupfen sich die Tränen von der Wange, die ihnen immer wieder in die Augen schießen. Mancher blickt entschlossen, der andere schmerzerfüllt.

Zur Beisetzung von Sedat Gürbüz waren mehr als 700 Menschen gekommen, diesmal sind es etwa 300.

Der Marsch führt zwischen Rathauscenter und Kreishaus über die Brücke in die Kronberger Straße, passiert die Laufacher Straße und das Bildungshaus, führt über die Lehrstraße in Schmidt- und Bahnhofstraße. Nach einem kurzen Stück über die Darmstädter gelangen die Teilnehmer zu ihrem Ziel: das Wohnhaus der Familie Gürbüz an der Hammannsgasse.

Dort stehen die Eltern und der Bruder neben Kerzen und Blumen, die in den vergangenen Tagen vor der Haustür abgelegt worden waren. Der Vater hält ein Bild seines verstorbenen Sohnes vor sich, fast wie einen Talisman. Ein Polizeiwagen versperrt die Zufahrt von der Babenhäuser Straße aus, sodass sich der Trauermarsch in seiner Stille ohne Hindernisse in die Hammannsgasse ergießen kann, wo er seine Formation verliert.

Helga Giardino, Vorsitzende des Ausländerbeirats, der den Zug organisiert hat, richtet das Wort an die Teilnehmer: „Ich danke Ihnen, dass Sie gemeinsam mit uns ein Zeichen gesetzt haben.“ Mit einer solchen Zahl habe sie nicht gerechnet.

Mit jedem Meter hat sich ein weiterer Mensch angeschlossen, um diese Gemeinschaft zu bilden und schließlich in einer Schweigeminute Sedat Gürbüz zu gedenken.

„Wir brauchen Zusammenhalt, wir sind doch alles Menschen“, sagt ein Nachbar der Familie. „Wir empfinden Schmerz und Leid gleich.“

Er habe Sedat aufwachsen sehen und könne noch nicht begreifen, was passiert ist.

In der Hammannsgasse stehen viele Dietzenbacher, die augenscheinlich keinen Migrationshintergrund haben. „Das lässt das Gefühl von Zusammenhalt erkennen“, sagt Zuschauer Alexander Greiner.

An diesem Abend stehen Angehörige verschiedener Kulturen zusammen, um sich auf das Wesentliche – das Menschsein – zu konzentrieren. „Obwohl ja viele den Verstorbenen nicht kannten, bringt er sie zusammen“, sagt Teilnehmerin Sina Scholze. Das sei ein starkes, schönes Zeichen.

Das Banner mit der Aufschrift „Wir trauern um Sedat Gürbüz“ wird über der Haustür der Familie befestigt, während einige Dietzenbacher die Kerzen, die sie während des Schweigemarsches entzündet haben, zu den anderen stellen.

Dann löst sich die Menge relativ schnell auf, manche Grüppchen bleiben noch länger stehen, in Gespräche vertieft. „Wir sind dankbar für jeden, der heute für uns hier war“, sagt Emis Gürbüz, die Mutter des Ermordeten. Der Schmerz ist noch lange nicht überwunden. Im Islam ist es üblich, nach 40 Tagen erneut zusammenzukommen und zu trauern. „Und auch das werden wir für die Familie tun“, kündigt Helga Giardino an.