600 Dietzenbacher kommen auf den Europaplatz „Wir sind zusammengerückt“

Zu der Kundgebung auf dem Europaplatz hatte ein breites Bündnis aus Parteien und Zivilgesellschaft aufgerufen. Bild: lynch

Dietzenbach – Am Samstagabend letzte Woche versammelten sich etwa 600 Menschen auf dem Europaplatz. Ein breites Bündnis aus Parteien und Zivilgesellschaft hatte unter dem Motto „Dietzenbach steht auf für Demokratie“ zu der Kundgebung aufgerufen.

„Wir wollen heute ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen“, sagt Jamila Ettahri. Die 19-jährige Dietzenbacherin hat sich ein Plakat mit der Aufschrift „Nur Kamele brauchen Höcker“ umgehängt – eine Anspielung auf den Thüringer AfD-Chef Höcke. Ettahri sitzt im örtlichen Jugendbeirat ebenso wie Fathma Mahdi. Mahdi besucht die 13. Klasse der Heinrich-Mann-Schule und macht gerade ihr Abitur. Sie berichtet, wie ihre Klasse auf die Enthüllungen von Correctiv reagiert hat: „Wir waren erschrocken, aber andererseits nicht überrascht, weil sie immer wieder indirekte Andeutungen in ihren Reden machen“. Der Rechtsruck im Land sei schon mal Thema im Politik- und Wirtschaftsunterricht (Powi) gewesen. Die Schule sei ein guter Ort für Aufklärung. „Meine Powi-Lehrerin gibt sich Mühe, aktuelle Themen in den Unterricht einzubauen“, sagt Mahdi. Allerdings brauche es im Lehrplan mehr Freiraum, damit die Lehrer mehr Zeit und Möglichkeiten hätten, über solche wichtigen Ereignisse besser aufzuklären. In diesem Halbjahr seien etwa vier Schulstunden dem Erstarken der AfD gewidmet worden, so Mahdi. Anlässlich der jüngsten Landtagswahl, bei der die AfD bei den 18- bis 25-Jährigen 18 Prozent Stimmenanteil erringen konnte, wurde in Mahdis Klasse das Parteiprogramm besprochen. Manche ihrer Mitschüler könnten verstehen, warum Menschen die AfD wählen. Sie seien der Ansicht, dass in dem Programm für jeden etwas dabei ist. Die Schülerin selbst ist hingegen davon überzeugt, dass viele uninformiert über die wahren Absichten der Partei seien. Das habe sich seit den Enthüllungen von Correctiv ein bisschen geändert. Trotz des Umfragehochs der Islamfeinde blickt die in Dietzenbach aufgewachsene Muslima zuversichtlich in die Zukunft: „Ich bezweifle sehr stark, dass die AfD an die Macht kommt.“ Sie glaube nicht, dass die Partei genug Stimmen gewinnen kann und auch nicht, dass eine andere Partei mit ihr koaliert. Sollte es doch zu einer AfD-Regierung kommen, würde sie für ihre Rechte demonstrieren. Aber: Sie sagt auch, sie würde sich unsicherer fühlen. Auf dem Europaplatz indes halten viele der Protestierenden Schilder mit Parolen in die Höhe. Eine Frau hat gar einen Klodeckel mitgebracht, um auszudrücken, was sie von den Rechten hält. Darauf zu lesen: „Keine braune Masse ins Parlament“. Derweil singt die 19-jährige Amra Mustafi ein selbst produziertes Stück, in dem sie elf Lieder verschiedener Sprachen miteinander verbunden hat. „Ich kann es nicht nachvollziehen, dass es heute noch Menschen gibt, die solch ein Gedankengut teilen“, sagt sie. Für Horst Schäfer, Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft der Religionen, war die Kundgebung ein Meilenstein für Dietzenbachs Demokratiebewegung. So etwas habe es in dieser Form in der Stadt noch nicht gegeben. „Das zeigt, wer hier die Mehrheit bildet. Das sind nicht die Rechten, sondern die Mitte.“ Er hoffe, dass sich die aktuellen Proteste gegen die AfD im Wahlverhalten widerspiegeln. Mitorganisiert hatte die Kundgebung Ahmed Idrees, Parteivorsitzender der SPD. Er habe viel positive Rückmeldung von Bürgern erhalten: „Das war ein guter Tag für die Stadt. Wir sind zusammengerückt.“

Von Steffen Lynch