Welche Probleme mit dem Alter kommen Dreieicher Jugendliche und Senioren tauschen sich aus

Von Schüler zu Senior: Mit Hilfe eines Alterssimulationsanzuges merkten die Jugendlichen, was es bedeutet, alt zu werden. Foto: col

Dreieich (col) – Yasmina entfährt ein lautes Stöhnen. Die 16-Jährige bückt sie behäbig nach einem auf dem Boden liegenden Stück Papier. Langsam richtet sie sich wieder auf und blickt lächelnd in die Runde von Jugendlichen und Senioren im Bürgertreff Götzenhain. Nicht ganz leicht ist der Alltag im Alter.

Das beweist auch eine anschließende Unterhaltung, bei der das Mädchen immer wieder nachfragen muss, was ihr Gegenüber zu ihr sagt. Sechs Jugendliche der Heinrich-Heine-Schule waren mit ihrem Wahlpflicht-Kurs „Service Learning“ zu Gast bei der Seniorenberatung der Stadt Dreieich und den Götzenhainer Senioren. Mit Hilfe eines Alterssimulationsanzuges, der den Körper durch Gewicht und Umfang steif macht und die Jugendlichen beim Testen in eine gebückte Haltung zwingt, versuchen sich die Schüler in das Körpergefühl der Senioren einzufinden. Dazu vermindern Kopfhörer das Hörvermögen und eine spezielle Brille verringert die Sehkraft.

Im geschützten Raum des Bürgertreffs ist es nur ein bisschen beschwerlich. Draußen, im Straßenverkehr, bemerkt Yasminas Klassenkameradin Acelya dann, dass sich so eingeschränkte Menschen im Alter auch unsicher fühlen können. Besorgt fasst sie beim Herablaufen der Treppe an die Schulter von Yasmina, packt sie an der Straße an den Arm, weil es ihr zu gefährlich erscheint, die Straße ohne fremde Hilfe zu queren. „Jeder will alt werden, aber keiner möchte die Einschränkungen erfahren, die Alter – nicht immer, aber doch in der Regel – mit sich bringt“, weiß Gabriele Buchwald, von der städtischen Seniorenberatung. Sie freut sich über das Interesse der Schüler und die gute Zusammenarbeit mit der Schule. Das lange vorbereitete Projekt soll Verständnis und Kommunikation zwischen den Generationen fördern.

Fürs Alter sensibilisieren

Die Jugendlichen werden mit dem Alterssimulationsanzug für die Beschwerlichkeiten des Alters sensibilisiert und merken, dass es einschränkt. „Vielleicht hindert das auch viele ältere Menschen daran, raus zu gehen, weil es eben nicht mehr leicht ist, alleine durch die Straßen zu laufen“, sagt Acelya und merkt, dass Alter genau aus diesen Gründen auch zur sozialen Isolation führen könnte.

In einem sehr offenen Gespräch wollten die Jugendlichen dann von den Senioren wissen, was die Vor- und Nachteile des Alterns sind. Peter Hörr erzählte von seinen Erfahrungen mit einem Schlaganfall. „Es ist ja nicht immer so, dass man langsam altert und sich daran gewöhnen kann. Bei mir war es so, dass ich von einem Tag auf den anderen alt geworden bin. Als ich dann nach einem dreiviertel Jahr aus der Reha zurück kam, war es ein Erfolg, wenn ich einen Stecker in die Steckdose bekam“, sagte Hörr und erklärte, dass dies auch zur Verzweiflung führen könne.

Christiane Jaeger berichtet, dass sie heute keinen alpinen Skilauf mehr betreibe, aus Angst sich die Knochen zu brechen. Und Peter Stahl ärgert sich darüber, dass er seine Zeiten beim 5.000-Meter-Lauf einfach nicht mehr erreiche.

Nicht nur Nachteile

Aber das Alter bringe auch viele Vorteile: „Ich kann alles und muss nichts mehr“, sagt Christiane Jaeger, „keiner schreibt mir mehr vor, wann ich was zu machen habe.“ Barbara Angermann ergänzt: „Ja, das ist ein Vorteil, aber ich nehme mir für jeden Tag etwas vor, aktiv zu sein, um damit beweglich zu bleiben. Die Zeit zur freien Verfügung und die Enkelkinder sind wirklich ein Gewinn im Alter.“

Die Jugendlichen waren beeindruckt von dem offenen Gespräch und den ehrlichen Antworten. „So schlimm ist es also doch gar nicht, alt zu werden“, sagte Talib nach seiner Fragerunde zufrieden. Nach dem Erlebnis mit dem Alterssimulationsanzug sind sich die Jugendlichen aber einig, sie wollen künftig nicht mehr ungeduldig sein, wenn ein Senior nicht gleich versteht was sie sagen, oder wenn es an der Kasse am Supermarkt mal länger dauert, bis das Geld heraus gekramt ist.