Kleine Kugeln, große Hilfe

Engagiert sich bereits seit Jahren für Straßenkinder in Nigeria: Christina Wiegand ist Chefstewardess bei der Lufthansa und leitet das Testzentrum im Brühl. Foto: Strohfeldt

Als der Flugverkehr im Zuge der Pandemie zum Erliegen kommt, finden im Corona-Testzentrum in Egelsbach mehrere Stewardessen einen Nebenjob. Sie freunden sich an und fliegen jetzt über Weihnachten nach Nigeria, um dort Straßenkindern zu helfen.

Egelsbach – Wer dieser Tage dem Zentrum im Brühl einen Besuch abstattet, kann sich dort nicht nur wie gewohnt auf das Coronavirus testen lassen. Er oder sie kann gleichzeitig auch noch etwas Gutes tun und Straßenkindern in Nigeria eine kleine Freude bereiten. Denn pünktlich zum Beginn der Adventszeit haben die Mitarbeiterinnen des Testzentrums eine Spendenaktion gestartet: Gegen einen kleinen Obolus können Besucherinnen und Besucher eine Christbaumkugel erwerben, ihren Namen darauf verewigen und damit den Weihnachtsbaum im Testzentrum schmücken.

Aus einem Teil der Einnahmen wird eine Weihnachtsfeier im Crew-Hotel der Lufthansa in der südnigerianischen Millionenstadt Port Harcourt für etwa 100 Kinder finanziert. Die Idee zur Aktion kommt von der 49-jährigen Christina Wiegand, einer der Leiterinnen des Testzentrums an der Lutherstraße.

Sie ist hauptberuflich Chefstewardess bei der Fluggesellschaft, war daher schon häufig in dem westafrikanischen Land. „Nigeria ist stark von Armut und Not betroffen und leider ein ziemlich blinder Fleck auf der Charity-Landkarte“, schildert sie die Situation vor Ort. Um zumindest ein klein wenig Abhilfe zu schaffen, wird sie sich mit drei weiteren Flugkollegen, die alle ebenfalls im Testzentrum angestellt sind, auf den Weg nach Port Harcourt machen. Das Besondere: Sie fliegen nicht in einer extra für die Aktion gecharterten Maschine, sondern mit einem regulären Linienflug, auf dem sie auch ganz regulär als Stewardessen arbeiten. Die freie Zeit während ihres Aufenthaltes über die Feiertage nutzen sie aber nicht wie sonst zur Erholung von den Strapazen, sondern um zu helfen.

Was zunächst außergewöhnlich klingen mag, ist für Wiegand fast schon Routine. Immerhin engagiert sie sich bereits seit sieben Jahren für Straßenkinder in dem Land. „Weihnachten fliege ich dienstlich jedes Jahr nach Nigeria und übergebe die Spenden selbst“, erzählt sie. Zu Beginn waren es manchmal nur ein paar Hundert Euro und wenige Koffer mit Kleidung, die sie im Gepäck hatte. Seit knapp drei Jahren betreibt sie ihr Engagement allerdings „im großen Stil“, wirbt Startgelder bei Golfturnieren ein oder klappert Fußballvereine ab.

Auch für den bevorstehenden Aufenthalt wird die Crew um Wiegand neben der Weihnachtsfeier noch weitere Spenden im Gepäck haben. „Ich hoffe, dass wir 100 Koffer mitnehmen können“, sagt sie. Diese enthielten neben 80 Fußbällen und Trikots weitere Sachspenden sowie kleine Geschenke für die Weihnachtsfeier. Vor Ort kümmerten sich zudem Partner um die Beschaffung von großen Mengen Lebensmitteln wie Mais und Gries. Insgesamt sollen drei Kinderheime in Port Harcourt unterstützt werden, darunter eines für Kinder mit Behinderungen. Der Großteil der Spenden komme jedoch der dänischen Organisation „Land of Hope“ zugute. Diese hat sich schon vor Jahren zur Aufgabe gemacht, sogenannte Hexenkinder von der Straße zu holen. Dabei handelt es sich um Kinder, die von ihren Eltern oder Geistlichen beschuldigt werden, verflucht zu sein. Sie werden für persönliche Unglücke genauso wie für Missernten verantwortlich gemacht und infolge dessen von ihren Familien vertrieben, misshandelt oder getötet. „Das ist total schrecklich“, sagt Christina Wiegand und verweist darauf, dass „dieser Aberglaube nirgends so verbreitet ist wie in Nigeria“.

Bislang seien ihre Hilfsaktionen noch rein privater Natur gewesen. Das soll sich aber schon bald ändern. Gemeinsam mit der 29-Jährigen Mariya Lewite, ebenfalls Stewardess und auch Leiterin des Testzentrums, möchte sie schon im nächsten Jahr einen Verein gründen. Warum? „Um auch richtig große Spenden annehmen zu können.“

Wer die private Hilfsaktion von Christina Wiegand unterstützen möchte, kann dies unter der Bankverbindung DE11 500 107 000 003 023 929 tun. Für Fragen ist sie per Mail an testzentrum.egelsbach[at]invitago[dot]eu zu erreichen.

Von Joel Schmidt