Open-Air-Stammtisch der Bürgerinitiative „Nachbarn schützen Nachbarn“ 30 Jahre Franzosenviertel

Selbstverständlich ist das nicht, aber im Franzosenviertel in Mühlheim kennen sich die Nachbarn, was nicht zuletzt an Treffen wie der Weißen Tafel liegt. Foto: man

Mühlheim (man) – In vielen Städten gibt es sie, die Dichter- oder Komponistenviertel, die Traklgassen, Meyerbeerwege oder Robert-Schumann-Straßen. In Letzterer liefern die Paketbooten auch in Mühlheim aus. Die Robert-Schumann-Straße die hier auf der Karte steht, meint aber nicht den Komponisten der Rheinischen Sinfonie, sondern den früheren französischen Außenminister und einstigen Präsidenten des Europäischen Parlaments.

„30 Jahre Franzosenviertel“ feierten Anwohner und Gäste am Freitagabend den 19. Juli im Wendehammer der Saint-Priest-Straße. Die Treffen haben sich längst zu einer Art Open-Air-Stammtisch entwickelt. Geladen wird zur „Weißen Tafel“. Wer in andersfarbigem Textil erscheint, den schickt jedoch niemand weg.

Weil Mühlheim seit 1966 mit Saint-Priest eine Städtepartnerschaft verbindet, lag es nahe, das Ende des 80er Jahre entstandene Neubaugebiet mit Straßennamen zu versehen, die darauf Bezug nehmen. Ziemlich schnell sprachen die Mühlheimer deshalb vom „Franzosenviertel“, mitunter auch leicht despektierlich. Denn das Franzosenviertel gilt nicht gerade als sozialer Brennpunkt.

In ihrer Begrüßungsrede erzählt Waltraud Kaiser, die Initiatorin des Abends, von den Anfängen des Viertels. Als sie selbst mit ihrer Familie vor 30 Jahren von Dietesheim ins Neubaugebiet zog, ging es hier erst mal ähnlich zu wie fast überall im Land: „Viele haben sich lange nicht gekannt.“ Das änderte sich spätestens mit der Gründung der Bürgerinitiative (BI) „Nachbarn schützen Nachbarn“ im Jahr 1997, nachdem ständige Einbrüche für Ärgernis gesorgt hatten. Kaiser erinnert an das Fest zum 20. Geburtstag der BI und resümiert, man sei sich einander immer noch gut im Viertel, „wir reden miteinander, nicht übereinander“.

Später erwähnt die gebürtige Unterfränkin aus Niedernberg, man habe sich miteinander angefreundet, „ohne einander in den Kochtopf zu gucken“. Von Nachbarschaftsstreitigkeiten, die gerne vor Gericht landen, weil den einen nächtlich der bellende Hund aus dem Schlaf reißt, der andere die Müllhalde nebenan nicht überriechen kann, weiß Kaiser nichts, „Frieden gibt es, wenn sich alle achten, aufeinander zu- und nicht losgehen“.

Die frühere Stadtverordnete erwähnt auch, wie sie einst von Haustüre zu Haustüre lief und letztlich erfolgreich Unterschriften sammelte. Denn jährlich sollte im Franzosenviertel nur jeweils eine Straße eine Asphaltschicht bekommen, „über Jahre hätten wir in einer ständigen Baustelle gelebt, obwohl wir 85 Prozent der Kosten deckten“.

Das Prinzip der „Weißen Tafel“ läuft wie gewohnt: Wer kommt, bringt eigene Teller, Gläser und vor allem etwas zu Essen und Trinken mit. Das wird dann zusammen geworfen. Kaiser bedankt sich bei Martin Kiesswetter, der am Keyboard unterhält, und bei Rudi Härtl. Der Wirt der „Probierstube“ an der Jean-Monnet-Straße überließ kostenlos die Zeltgarnituren.

Obwohl die beiden nicht im Viertel wohnen, erscheint auch das Ehepaar Karl-Christian Schelzke und Marita Immel-Schelzke. Schelzke spielte 1993 während seiner Zeit als Bürgermeister eine tragende Rolle bei der Gründung des Mühlheimer Präventionsrats, mit dem sich später wiederum die BI „Nachbarn schützen Nachbarn“ kurzschloss.

Die Rede ist auch von den fünf großen Straßenfesten, die das Viertel bisher im Wendehammer feierte. Insgesamt kam es dabei zu einem Erlös von 10.000 Euro, der sozialen und kulturellen Einrichtungen zu Gute kam. Kaiser spricht auch über die gemeinsamen Ausflüge zur Deutschen Flugsicherung nach Langen, in die Börse nach Frankfurt oder die JVA in Weiterstadt.

Dieter Matros-Laufer konstatiert, er lebe mit seiner Frau seit zwölf Jahren im Viertel: „Wir fühlen uns wohl und danken Waltraud Kaiser für all das, was sie hier auf die Beine stellt.“