Stadtrundgang mit Gerda Brinkmann vom Geschichtsverein Müllem und die Müllerfamilien

In der Bleichstraße erfahren die Historienwanderer vieles über das nicht mehr vorhandene Feuerwehrhaus der ersten Generation und über das völlig abgeschaffte städtische Schlachthaus. Gerda Brinkmann (mit aufgeschlagenem Ordner) gibt so manches Geheimnis über Löschwasser und Abwässer preis. Foto: Geschichtsverein/p

Mühlheim (red) – Wenn die Grande Dame der Mühlheimer Geschichtsforscher zum historischen Rundgang einlädt, bleibt kaum ein Interessierter zu Hause. Zu den harten Fakten der Geschichte findet Gerda Brinkmann immer die passenden Worte in der Sprachform des „Mühlheimer Gebabbels“. Nur für die Bewohner des untersten Endes der Mainstraße ist es wohl richtig, wenn diese behaupten, in Mühlheim am Main zu wohnen. Die große Masse der Mühlheimer wohnt eigentlich in Mühlheim an der Rodau.

Folgerichtig startete Gerda Brinkmann ihren Rundgang mit etwa 40 hitzefesten, gespannten Zuhörern an der Sandsteinfigur des Müllerborschen im Rodaubereich. Die Rodaubrücke der Friedensstraße zeigt gleichzeitig auch die Örtlichkeit der Straßenmühle an. Dort, im seichten Wasser des Straßenmühlgrabens war das „Rodaubad“ der Kinder und Jugendlichen. Die Erwachsenen mussten auf tiefere Gewässer nicht verzichten. Vor der Brückenmühle wurde das Wasser, für das heute noch funktionstüchtige Wasserrad, aufgestaut. Es entstand eine beachtliche Wasserfläche mit gehörigem Tiefgang.

Ehemalige Betzenwiese

Die Fläche des Bürgerparks, bevor dieser eingerichtet wurde, benennt Frau Brinkmann als Betzenwiese. Eine große Wiesenfläche, die heute mit manchem Straßenzug, Schwimmbad, Jugendzentrum usw. überbaut ist. Das saftige Grün der Betzenwiese, unter anderem befördert von einem Abzweiggraben der Rodau, durfte erst ab einem vom Bürgermeister verkündeten Termin gemäht werden. Davor war für alle die Devise – Betreten verboten. Selbst die Müller hatten einen schweren Kampf mit dem Wasser der Rodau. Es kann von einigen Todesfällen unter den Müllern berichtet werden, die bei Hochwasser oder Eisgang auf der Rodau zu Tode gekommen sind. Im Sommer stritten die Müller um das spärliche Wasser für Ihr Wasserrad. Gerda Brinkmann berichtet aus dem Gerichtsprotokoll, das die Situation der völlig zerstrittenen Müller dokumentiert.

Alle Streitigkeiten waren aber behoben, wenn die entsprechenden Müllerskinder durch Heirat, an den Streitigkeiten der Eltern vorbei, zueinandergefunden hatten. Romeo und Julia auf „Müllermerisch“! Der Kirchsteg führt direkt auf das Pestpförtchen zu, welches anlässlich einer fürchterlichen Epidemie 1777 in die Kirchhofsmauer gebrochen worden war. Die Dietesheimer sollten schneller und ohne die Marktstraße zu behelligen in den Kirchhofsbereich gelangen können. Die damaligen Pestopfer waren ein einmaliger oder seltener Schicksalsschlag.

Örtliches Finanzamt

Aber regelmäßige und immer wiederkehrend war die Heimsuchung der Steuern und obrigkeitlichen Abgaben, erinnert Brinkmann in der Pfarrgasse. Auf dem Abtshof als dem örtlichen „Finanzamt“ wurden die Pachten und Lasten des Klosters Seligenstadt erhoben.

Neben dem Wunsch, noch mehr von Frau Brinkmann zu erfahren, wird auch von allen Teilnehmern die Bitte geäußert, spätestens im nächsten Jahr eine Fortsetzung ihrer spannenden Mühlheimer Historienlektionen zu erhalten. Gerda Brinkmann gab sich zurückhaltend, doch am nächsten Tag hatte sie schon wieder neue Ideen. Sie hat die einmalige Fähigkeit, historische Fakten mit anekdotischen Begebenheiten aufzuwerten. Mit kühlen Erfrischungen und einigem zu Essen für die hungrig Gewordenen, sorgt Frau Brinkmann zudem noch in ihrer eigenen Hofreite für einen geselligen Abschluss der Babbel-Wanderung.