Ausstellung „Mühlheimer Schulgeschichte – Schüler, Lehrer, Prügelstrafe“ „Schule war schön, Ferien waren schöner“

Moderator Karl-Heinz Stier (Mitte) lässt Christel Moll und Rainer Klohoker von ihrer Zeit als Schuldirektoren in Mühlheim erzählen. Foto: man

Mühlheim (man) – Anfangs fragt Karl-Heinz Stier in die Runde, wer gerne zur Schule ging. Manche heben direkt den Arm, andere zögerlich, als wollten sie auch mit dem Drehen der Hand ihre Ambivalenz ausdrücken. Einerseits war die Schule der Ort, wo die besten Freunde neben einem saßen, andererseits lauerte am nächsten Tag die Mathearbeit, für die man sich ungenügend vorbereitet fühlte. Aus dem Publikum bringt es Ingeborg Fischer irgendwie auf den Punkt: „Ferien waren schöner.“

Zur Ausstellung „Mühlheimer Schulgeschichte – Schüler, Lehrer, Prügelstrafe“ hatte der Geschichtsverein am 11. September zum zweiten Erzählcafé eingeladen. Christel Moll und Rainer Klohoker berichteten von ihrer Zeit als Mühlheimer Schuldirektoren. Da geht es etwa um die Frage, wie sich das Schulamt überlisten lässt, oder was tun, wenn sich montagmorgens die üblichen Verdächtigen mal wieder krank melden lassen.

Am Tisch sitzen zwei, die zurückkehrten. Christel Moll leitete von 1976 für 23 Jahre die Brüder-Grimm-Schule in Lämmerspiel. Rainer Klohoker hatte zwischen 1976 und 1999 an der Goethe-Schule in Mühlheim das Sagen. Moll erzählt, davor habe sie an der Eichendorffschule in Offenbach unterrichtet, sich dann in Funktion der Konrektorin an die Brüder-Grimm-Schule versetzten lassen, „ich hatte kleine Kinder und wohnte im Markwald.“ Nach einem Jahr bewarb sich Moll um die frei gewordene Direktorenstelle.

Ihre Jahre als Leiterin in Lämmerspiel hat die 78-Jährige als stressfrei in Erinnerung, „extreme Situationen habe ich nie erlebt“. Mit der Zeit seien die 68er bewegten jungen Leute selbst Eltern geworden, hätten die Autorität der Lehrer nicht mehr als Gott gegeben hingenommen, „an sich war das aber gut“.

Es gab auch hier die Kollegen, die montagmorgens den Partner anrufen lassen, um ihre Unpässlichkeit zu verkünden. Dann musste Moll rotieren, nach Ersatz telefonieren oder die Kinder auf die Klassen verteilen. Als Klammer im Ort diente vor allem die Kirchengemeinde, „jeder kannte jeden, letztlich herrschte noch so was wie heile Welt“.

Das schildert Rainer Klohoker von Mühlheim anders, der in einer Zeit übernahm, als die Goethe-Schule neben dem Grundschulzweig auch die Funktion einer Hauptschule hatte. Was Klohoker erinnert, lässt erahnen, als konfliktscheu galt der Mann eher nicht.

Als der 79-jährige in Mühlheim anfing, bekam er drei dicke Schlüsselbunde in die Hand gedrückt. Unter den Umständen wäre jede Schulstunde um gewesen, bis er den richtigen Schlüssel gefunden hätte. Die Goethe-Schule habe in keinem guten Ruf gestanden, „die Lehrer machten, was sie wollten“. Er habe erst mal begonnen, „nach Erlass zu regieren“. Nach kurzer Zeit hätten sich fünf versetzen lassen. Als einer zurückwollte, habe er ihm erklärt, er könne sich bewerben, wenn eine Stelle frei sei. Worauf der Kollege vermutete, „für mich wird bei ihnen doch nie eine frei“. Vom Direktor bekam er die Antwort, „da haben sie recht“.

Als Vorschriftenreiter galt Klohoker aber wohl auch nicht, der von dem Kniff erzählt, mit dem er das Schulamt einmal dazu brachte, den permanenten Lehrermangel zu lindern, „ich rief an und erklärte, ‘wir haben zwei Lehrkräfte zu viel’“. Das gab Punkte. Einige Tage später wählte Klohoker die gleiche Nummer und erklärte zerknirscht, sich verrechnet zu haben, „wir haben vier zu wenig“. Letztlich habe er sich mit dem Kompromiss einverstanden erklärt, von der Universität zwei neue, junge Kollegen zu bekommen, „genau das hatte ich gewollt“.

Der Pädagoge erklärt, er halte nichts davon, wie momentan en vogue, auf Teufel komm raus die Inklusion durchzusetzen, Kinder mit allen Facetten von Behinderung in den Regelunterricht einbinden zu wollen. Beiden Seiten tue man damit keinen Gefallen.

Er selbst habe sich damals dafür eingesetzt, einen schwerhörigen Jungen auf die Goethe-Schule gehen zu lassen, der in Frankfurt eine Anstalt für schwer erziehbare besucht hatte: „Die Lehrer hängten sich ein Mikrofon um, so konnte er über sein Hörgerät problemlos folgen.“ Am Ende habe es der Schüler bis zum Abitur geschafft.

Karl-Heinz Stier fragt Christel Moll und Rainer Klohoker, ob sie den Beruf heute wieder ergriffen. Fast unisono erklären beide, „ich hätte Lust, wieder zu arbeiten“.