Weil er wiederholt willkürlich Personen in und um Offenbach zusammenschlug Urteil am Landgericht Darmstadt: Vier Jahre und neun Monate für Schläger

Der Mühlheimer zusammen mit Rechtsanwalt Armin Golzem. Die nächsten Jahre wird der 27-Jährige in einer Haftanstalt verbringen. Foto: man

Mühlheim (man) – Mit dem Urteil am dritten Verhandlungstag endete vor Kurzem vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt ein Prozess gegen den Angeklagten A. aus Mühlheim. Der vorbestrafte Mann muss diesmal für vier Jahre und neun Monate hinter Gittern. Es hatte mehrere Geschädigte willkürlich schwer verletzt. Vor einem Bistro an der Lämmerspieler Straße soll der 27-Jährige am 11. November 2017 auf einen 42-Jährigen eingetreten und geschlagen haben.

Nebenklagevertreter Clemens Bergmann zeigt die Polizeibilder seines Mandaten. Der musste sich mit gebrochener Nase einer Operation unterziehen und mehrere Tage im Krankenhaus liegen. Der Geschädigte sagt aus, er habe im Bistro Zigaretten kaufen wollen. Der ihm unbekannte A. habe ihn dort angeherrscht, er solle verschwinden. Um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen, sei er gegangen.

Draußen sei ihm A. nachgerannt, habe ihn erst zu Boden getreten, dann mehrfach auf den Kopf. Einer der herbeigerufenen Polizisten sagt aus, A. habe mit der Tat geprahlt, „dem habe ich es so richtig gegeben’“.

Ansonsten beschreibt der Ermittler das Verhalten des Angeklagten bei der Befragung als „stark stimmungsschwankend, von üblen Beschimpfungen, über ‘Du bist mein Bruder’ bis zu, ‘ich weiß, das kann so nicht weitergehen’“.

Die Polizei nahm den betrunkenen und mutmaßlich unter Kokain-Einfluss stehenden Bekannten nicht in Gewahrsam. Die Begründung wirkt paradox: Man habe sich und dem Angeklagten die Aggressionen ersparen wollen. Stunden später war A. in Offenbach unterwegs, was mit dem Schädelbruch eines Passanten endete. Der Angeklagte, den Rechtsanwalt Armin Golzem vertritt, schildert, ab seinem 13. Lebensjahr gekifft und ab dem 14. getrunken zu haben. Mit 21 sei Kokain hinzugekommen.

Im Moment sitze er in Hadamar in der psychiatrischen Klinik, habe jedoch seine Drogentherapie abgebrochen. Im Moment sitzt er eine alte Gesamtstrafe von zweieinhalb Jahren ab. Der 27-Jährige erklärt, sich nüchtern gänzlich anders zu verhalten. Dann fühle er sich nicht tangiert, wenn ihn einer beleidige. Anders fühle er sich, wenn er Alkohol, Kokain samt Cannabis konsumiere. Mehrfach wurde der Mann, der keinen Führerschein besitzt, betrunken am Steuer erwischt. Die Gewalttaten streitet A. im Kern nicht ab, skizziert sie zwar als Dummheit, jedoch auch als Notwehr oder Streit unter Betrunkenen. Die Vorsitzende Richterin Ingrid Schroff gibt zu bedenken, dass seine Sicht mit allen Zeugenaussagen divergiere.

Gleiches Verhalten geht aus einem Bericht zweier Studenten aus Lämmerspiel hervor, die erzählen, dass er sie rassischtisch beschimpfte. Ihr Versuch, die Szene zu beruhigen, sei gescheitert, wie ein weiterer Zeuge bestätigt. Einer bekam einen Schlag mit der flachen Hand ins Genick, der andere die Faust ins Gesicht. Vor dem Supermarkt nahm die Polizei A. vorübergehend fest.

Der soll schon am Mittag des gleichen Tages an der Bahnhofstraße einen Bekannten geohrfeigt haben.

Weitere Aussagen von Zeugen und Gutachter stehen aus. Auch ein 58-Jähriger sagt aus, der am 11. November als zweiter Mann des Tages das Pech hatte, dem Angeklagten zu begegnen. Zwei Zeugen werden seine Version bestätigen. Sie hatten das Geschehen an der Rathenaustraße in Offenbach vom Fenster beobachtet.

Auf dem Gehweg hatte nachts ein lautstarker Streit zwischen dem Angeklagten und dessen Freundin getobt. Der Geschädigte erzählt, er habe kommentarlos passieren wollen.

Die Vorsitzende Richterin Ingrid Schroff hält ihm die Aussage des Angeklagten vor, er habe dessen Freundin festgehalten und ihn beleidigt. „Blödsinn“, antwortet der Mann, „ich wollte vorbei, sonst nichts“. Aus dem Nichts habe ihn ein Schlag getroffen. Er könne nicht sagen, nach wie vielen Minuten er wieder zu Bewusstsein kam und nach Hause ging.

Dort habe er die Polizei angerufen. Das Attest bestätigt eine gebrochene Nase und eine Fraktur des Knochens unter der Augenhöhle.

Damit verantwortete A. den zweiten und dritten Knochenbruch des Tages.

Die Zeugen erzählen, Umdrehen und Zuschlagen mit der Rückhand seien quasi eine Bewegung des Angeklagten gewesen. Verteidiger Armin Golzem wird in seinem Plädoyer später ausführen, es sei nicht erwiesen, ob sein Mandant den Geschädigten überhaupt bemerkt habe. Ein weiterer Zeuge erinnert sich, wie ihm am 1. Oktober 2017 in Hainburg zweimal jemand nächtens gegen das Auto trat. Als er das Fenster öffnete, habe ihm der Angeklagte mit freien Oberkörper ins Gesicht geschlagen. Bei dem Punkt wird Golzem „aus dem Nähkästchen plaudern“.

Der Verteidiger erzählt, wie auch ihn schon mal ein Mann durchs offene Fenster einen Schlag versetzte, „leider ist das nicht ungewöhnlich“. Richter Christopher Potoski liest aus dem Gutachten der Psychiatrie in Hadamar vor, wo A. einsitzt. Von einer „dissozialen Persönlichkeit“ ist die Rede. Auf die eigenen Rechte harre er penibel, die anderer missachte er. Empathie kenne A. keine. Mitpatienten versuche er zu dominieren. Man habe beobachtet, wie er einen unter Druck gesetzt habe. Darauf angesprochen, habe A. jeden Disput geleugnet. Gegenüber Therapeuten verhalte er sich mitunter „extrem konformistisch“. Gutachter Professor Klaus Demisch sieht zumindest „erhebliche dissoziale Persönlichkeitsmerkmale“. Der Angeklagte spüre nicht, „dass er anderen großes Leid zufügt“. A. lerne nicht aus negativen Erfahrungen und wähne sich ständig angegriffen, „das deutet auf geringes Selbstwertgefühl“.

Die Gewaltbereitschaft liege in seiner Persönlichkeit.

Das Kokain sei nur der letzte Auslöser zum Ausbruch: „Weiterer Konsum wird zu weiteren Ausbrüchen führen.“ Erheblich verminderte Schuldfähigkeit könne er bei den Taten nicht ausschließen. Die für eine Therapie notwendige Einsicht fehle A., „wenn Therapie, dürfte sie nicht unter zwei Jahren dauern“. Staatsanwalt Betz sieht auf Grund fehlender Einsicht keine Möglichkeit, den Angeklagten die Haftstrafe statt in der JVA in einer Entziehungsanstalt absitzen zu lassen. Er fordert in Summe für alle Taten vier Jahre und acht Monate Haft.

Anwalt Golzem hält dreieinhalb Jahre für ausreichend. Der Angeklagte erklärt, „ich würde alles gerne ungeschehen machen“.

Das Landgericht unter Ingrid Schroff verurteilt ihn zu vier Jahren und neun Monaten Haft.