Gedenkveranstaltung mit Lesungen und Musik Stadt Neu-Isenburg erinnert an Bücherverbrennung

Thomas Peter-Horas und Christine Wagner bei der Gedenk-Lesung auf dem Wilhelmsplatz vor dem Haus der Vereine. Foto: Postl

Neu-Isenburg (lfp) – Am 24. Juni 1933 loderte auch in Neu-Isenburg auf dem Wilhelmsplatz ein Feuer, gesäumt von vielen Menschen, die selbst Bücher mitgebracht hatten und sehen wollten, wie diese in Flammen aufgehen. Die Veranstaltung war als Sonnwendfeuer deklariert, hatte jedoch einen politischen Hintergrund.

Vorausgegangen war eine Initialaktion auf Geheiß von Joseph Goebbels, auf öffentlichen Plätzen nationalsozialistische Kundgebungen abzuhalten, bei denen die Studenten der deutschen Hochschulen ganze Berge von Büchern verbrannten, die dem Staatsstreich gegen Freiheit, Toleranz und Intelligenz im Wege standen.

Die Stadt Neu-Isenburg hatte am vergangenen Freitag wieder dazu aufgerufen, an verschiedenen Orten Lesungen abzuhalten, um an die Schandtaten zu erinnern. So las Bürgermeister Herbert Hunkel im Rathaus, in der Bibliothek und anderen Orten gab es weitere Lesungen. Die Abschlussveranstaltung fand jedoch genau dort statt, wo in Neu-Isenburg die Bücherverbrennung erfolgte: Auf dem Wilhelmsplatz. Stadtverordnetenvorsteherin Christine Wagner trug ausgewählte Textpassagen vor, die von Thomas Peter-Horas mit Akkordeon und Gesang begleitet wurden. „Die Barbarei der Nationalsozialisten hatte eine klare Hierarchie: zuerst die Bücher, dann die Menschen“, hob Wagner hervor. „Nach akribisch aufgearbeiteten Listen sollten Bücher von Heinrich Heine, Erich Kästner, Stefan Zweig, Alfred Kerr, Berthold Brecht bis hin zu Lion Feuchtwanger“ den Flammen übergeben werden, beschrieb Wagner. Die Stadtverordnetenvorsteherin dankte den Bürgern, die trotz der sommerlich-schwülen Temperaturen gekommen waren.

Trauriger Höhepunkt

An der Wand im Hintergrund hing jene Gedenktafel, die auf Antrag der Grünen am Haus der Vereine angebracht worden war. „Am 24. Juni 1944 fand hier auf dem Wilhelmsplatz eine von der NSDAP organisierte Bücherverbrennung statt. Die Bücherverbrennungen waren trauriger Höhepunkt einer von der Deutschen Studentenschaft initiiertenn Kampagne „Wider den deutschen Ungeist“. Die Erinnerung an die Bücherverbrennung mahnt, uns stets mit aller Kraft für die Freiheit des Denkens und der Kultur in einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft einzusetzen“, ist darauf zu lesen. „Ich übergebe der Flamme die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner“, soll Goebbels in die Menschenmenge gerufen haben. Ungeachtet der Bedrohlichkeit stand der 34-jährige Erich Kästner trotzig mitten in der gaffenden Menge und sah dem für ihn Unvorstellbaren zu. „Dort steht ja der Kästner“, erkannte ihn eine junge Frau. Kästner warf insbesondere vom Verhalten der Studenten tief betroffen und schrieb später: Eine junge Studenten-Generation richtet ihre eigenen Ansprüche auf jede künftige Meinungsfreiheit hin.

Christine Wagner hatte recherchiert was Kästners Lebensgefährtin Luiselotte Enderle in einem Interview einem Journalisten verriet. „Ich glaube für den Erich war es das Gemeinste was er erleben musste, schlimmer noch als später die zwei Verhaftungen durch die NS-Heinis“, zitierte Wagner aus dem Interview. Kästner war nämlich schon bei dieser Aktion klar, dass dies nur das Streichholz für eine Lunte war. Aber Erich Kästners Bücher wurden auf dem Schwarzmarkt hoch gehandelt, woraus sich die Erkenntnis ableitet: Bücher kann man nicht so einfach verbrennen; vielleicht deren Hülle, aber der Geist des Inhaltes lebt weiter.