Ein melancholischer Moment zum Abschied Thomas Melle blickt auf das Jahr zurück

Thomas Melle blickt auf sein Stadtschreiberjahr zurück. Foto: zko

Bergen-Enkheim (zko) – Am Morgen nach dem Stadtschreiberfest veranstaltet Adrienne Schneider, Tochter des Preisinitiators Franz Joseph Schneider, traditionell in ihrem Garten in Bergen zu Ehren des scheidenden sowie des neuen Amtsinhabers ein ausgedehntes Frühstück für geladene Gäste.

Die Literaten treffen in entspannter Atmosphäre auf Literaturinteressierte und tauschen sich über Ungewöhnliches und Alltägliches aus. Ein passender Ort und eine gute Zeit für den scheidenden Stadtschreiber Thomas Melle, sein Jahr in Bergen-Enkheim Revue passieren zu lassen:

Der Bergen-Enkheimer: „Herr Melle, wie viel Zeit haben Sie im vergangenen Jahr in unserem Stadtteil Bergen-Enkheim verbracht?“

Thomas Melle: „Ich war immer wieder über längere Zeit im Stadtschreiberhaus, weil Bergen-Enkheim die grobe Mitte zwischen meiner Wahlheimat Berlin und Wien war, der Heimat meiner Partnerin. So besuchte nicht einer den anderen, sondern wir hatten einen gemeinsamen neuen Ort.“

„Haben Sie im vergangenen Jahr auch einen Text geschrieben, in dem Bergen-Enkheim als Ort vorkommt?“

Melle: „In meiner Abschiedsrede habe ich, wie Sie ja wissen, auf Bergen-Enkheim Bezug genommen. Mal sehen, was da noch kommt, es dauert manchmal eine Zeit lang, bis Ideen Eingang in Texte finden.“

„Sie haben Ihr Privileg genutzt, Kollegen zu einer Lesung einzuladen. Mitte Mai dieses Jahres waren Xaver Bayer und Teresa Präauer zu Gast. Wie fanden Sie die Veranstaltung?“

Melle: „In Bergen-Enkheim gibt es ein sehr literaturbegeistertes Publikum und es gab sehr interessierte Reaktionen auf die beiden Autoren aus Österreich.“

„Welche sind Ihre derzeitigen Projekte?“

Melle: „An den Münchner Kammerspielen wird am 4. Oktober die Performance ,Unheimliches Tal/Uncanny Valley’ von Stefan Kaegi und mir in der Inszenierung von Stefan Kaegi uraufgeführt. Kaegi kopiert mich in Form eines humanoiden Roboters und stellt die Frage, ob das Original sich durch sein elektronisches Double näher kommt und was es für das Original bedeutet, wenn die Kopie übernimmt. Ich habe auch noch einige andere Ideen und Pläne. Ein Freund sagte mir einmal, dass man nie wüsste, was ich als Nächstes tun würde – und da hatte er wohl recht.“

„Fällt Ihnen der Abschied jetzt schwer?“

Melle: „Es ist auf jeden Fall ein melancholischer Moment, wenn man das Stadtschreiberhaus verlässt. Ein Jahr ist jedoch ein guter Zeitraum und nun wird das Haus für mich wieder abstrakt. Im Stadtteil geschlossene Bekannt- und Freundschaften werden fortbestehen und wenn ich wieder mal in Frankfurt bin, wird die ,Alte Post’ von Dragi ein Hafen für mich sein.“

„Haben Sie einen Tipp für Ihren Nachfolger?“

Melle: „Es ist gut, im Haus zu arbeiten, sich selbst zu spüren und in den Streuobstwiesen die Zeit zu erleben.“