Moor, Musik und Majors Elfte Reise: „Blinder Passagier“ im Dialogmuseum

Klara Kletzka und Annette Koyro vor dem Eingang zur Tour. Foto: Faure

Ostend (jf) – „Sieht man wirklich nichts, gar nichts?“, fragt eine junge Erstbesucherin vor dem Gang durch das Dunkel. Nein, man sieht absolut nichts, stockfinster ist es im Parcours des Dialogmuseums. Eine Woche lang hat das Team um die Geschäftsführer Klara Kletzka und Matthias Schäfer unter der Leitung von Kuratorin Annette Koyro umgebaut und lädt nun zur elften Reise in ein unbekanntes Land ein.

Gleich zu Beginn der Tour im Dunklen blöken Schafe, Sahar, unsere „Reise“-Führerin, verweist darauf, dass unter ihnen ein schwarzes sei. Witzig. Das Fell fühlt sich jedenfalls wunderbar weich an.

Bäume kann man ertasten, über eine Hängebrücke laufen – immer am Geländer lang, das gibt neben dem Blindenstock, den jeder Besucher bekommt, Sicherheit. Und die Stimme von Sahar, die Stimmen der kleinen Reisegesellschaft vermitteln das Gefühl, nicht allein zu sein, Hilfe zu erhalten, wenn man sie braucht. Braucht man aber nicht, selbst im Moor, glücklicherweise ein trockener, aber sehr gewöhnungsbedürftiger, schwankender Boden, ist der Besucher nicht auf sich allein gestellt. Zudem ist es nur ein kleines Wegstück. Die Laute der Schafe entfernen sich, dafür schwillt ein Klicken an: Golf gehört im unbekannten Land zu den beliebtesten Sportarten, dort werden auch die größten Turniere, die Majors, mit ausgespielt.

Ein Hirschfell schmeichelt den Händen, die Statue eines kleinen Hundes kann ertastet werden. Sahar, die erst seit Januar im DialogMuseum arbeitet und ziemlich stolz ist, alle Prüfungen bestanden zu haben, erzählt eine kleine Geschichte dazu.

Es gibt nicht nur Führungen auf Deutsch und Englisch, sondern auch auf Türkisch und Polnisch und in Sahars Muttersprache Persisch – sie führte schon eine Gruppe in dieser Sprache durch die Dunkelheit. Nach 60 oder 90 Minuten – je nachdem, welche Tour man gebucht hat, ist die Kurzreise zu Ende. Am Ende des Gangs wird es hell – das Licht blendet die Augen fast ein wenig.

Sahar, die in ihrem ersten Lebensjahr erblindete, auf einem Auge gar nichts mehr und auf dem anderen nur sehr wenig sieht, ist in der Dunkelheit verschwunden. Sie gehört zu den 29 festangestellten Mitarbeitern des Dialogmuseums, über 75 Prozent sind behindert oder benachteiligt.

Im Dunkeln sind die Sehbehinderten den Nichtbehinderten gegenüber im Vorteil, die Situation kehrt sich um: Sie zeigen den Besuchern, wo es lang geht, weisen den Weg. Draußen, in der Stadtgesellschaft, haben es Sehbehinderte weitaus schwerer. „Aber in Frankfurt ist es ganz gut, ich kann die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, die Sprachsoftware meines Smartphones hilft mir ebenfalls, Informationen zu bekommen und mich zu orientieren“, erklärt Sahar auf der Tour. Eine selbstbewusste Frau, die studierte und ihren Platz nach mehreren Stationen in verschiedenen Großstädten nun im Frankfurter DialogMuseum gefunden hat und der die Arbeit Spaß macht.

Bis zum 4. September kann man in diesem ungewöhnlichen Museum auf Reisen gehen, eine Reservierung unter Telefon 069 90432144 ist unbedingt erforderlich. Die Touren gibt es für Erwachsene ab 16 Euro, für Kinder ab acht Euro.

Ein Gewinnspiel gehört wie jedes Jahr ebenfalls dazu: Wer das Reiseziel errät, kann mit etwas Glück einen Urlaub in diesem Land gewinnen. „Neu in diesem Jahr ist nach Ende des ‚Blinden Passagiers’ eine Präsentation aller Sponsoren. Dann wird unser Foyer ein bisschen zum Reisebüro“, erklärt Klara Kletzka zum Schluss. Aber bis zum 4. September wird nicht verraten, wohin die Tour in diesem Jahr führt – das herauszufinden, ist immer wieder ein besonderes Erlebnis.