Deutschland verstehen lernen Nordend: Kurs bietet Frauen Orientierung

Daniela Birkenfeld (rechts) begrüßt Teilnehmerinnen des Kurses „Angekommen!“. Foto: Faure

Nordend (jf) – „Am liebsten würde ich mit Kindern arbeiten, vielleicht als Köchin in eine Kita!“, sagt Tahira F. und strahlt dabei über das ganze Gesicht. Die 51-jährige Pakistanerin ist eine von vier Teilnehmerinnen des Kurses „Angekommen!“, der von berami, Verein für berufliche Integration, angeboten wird. Stadträtin Daniela Birkenfeld und die Medienvertreter schauen vor dem Pressegespräch kurz ins Nachbarzimmer. Dort beschäftigen sich die Kursteilnehmerinnen gerade mit der Uhrzeit und den Jahreszahlen. An der Wand hängen die Kursregeln, das Handy muss beispielsweise lautlos geschaltet und darf nicht als Wörterbuch genutzt werden.

„Am 1. Juli haben wir den dritten Durchlauf von ‚Angekommen!’ gestartet. Es gibt jeweils 15 Plätze für Frauen mit Migrations- und Fluchtgeschichte“, erklärt Kursleiterin Salwa Yousef. Die Teilnehmerinnen werden von Kooperationspartnern von berami vorgeschlagen und kommen persönlich zu einem Gespräch in die Nibelungenallee, wo berami seit Ende 2017 sein Domizil im City Gate gefunden hat. „Wir wollen in den Kursen eine gute Mischung in Beziehung auf die Herkunftsländer, das Alter und den Bildungsstand erreichen“, bemerkt Yousef.

Der sechs Monate dauernde Kurs beruht auf drei Säulen: Information, Aktivierung und Stärkung der Eigenständigkeit. Die deutsche Sprache mit besonderem Bezug zum Beruf steht dabei im Fokus, außerdem Rechnen, Computerkenntnisse, Praktika, Zukunftsplanung. „Wir vermitteln Systemkenntnisse über Deutschland, fragen die Teilnehmerinnen aber auch, was sie selbst noch wissen möchten“, erläutert Yousef. Die Antworten sind vielschichtig; sie reichen von Gesundheitsthemen über die Produktauswahl in einer Drogerie, von (Handy-)Verträgen bis zur Einrichtung eines Bankkontos. Alltagskommunikation wird trainiert, Exkursionen gehören genauso zum Programm wie der Besuch von Beratungsstellen.

Abschluss und Ausbildung sind Ziele

„Nach einem halben Jahr wollen wir den Frauen einen Werkzeugkoffer an die Hand geben, mit dem sie ihren weiteren Weg gut bewältigen können“, verdeutlicht die Kursleiterin anschaulich. „Das Programm ‚Angekommen!’ liegt mir am Herzen, die Stadt finanziert es mit 170.000 Euro aus dem Frankfurter Arbeitsmarktprogramm“, erklärt Daniela Birkenfeld. Seit 2014 seien 7300 Asylbewerberinnen nach Frankfurt gekommen, gegenwärtig sind 950 dieser Frauen in Frankfurt untergebracht.

2017 gab es insgesamt 15 Maßnahmen mit 321 Plätzen für Geflüchtete; „’Angekommen!’ ist dabei ein wichtiger Baustein“, unterstreicht Birkenfeld. Der Hauptschulabschluss und die Berufsausbildung sind weitere Ziele. „Integration ist dann gelungen, wenn die Geflüchteten ihren Platz im Arbeitsmarkt gefunden haben. Wir wissen, das ist ein langer Prozess. Die in Berlin und Nürnberg ausgedachten Integrationskurse leisten das nicht. Deshalb haben wir eigene Angebote aufgebaut“, betont die Stadträtin.

Angebot dauert sechs Monate

„Das Angebot ‚Angekommen!’ ist dringend notwendig und mit einer Dauer von sechs Monaten nicht zu lang. Es ist eine präventive Maßnahme und kommt Frauen mit ungesicherter Bleibeperspektive zugute“, lobt Rosina Walter, Geschäftsführender Vorstand berami. Die Kurse dienen den Teilnehmerinnen und der Stadtgesellschaft gleichermaßen. Tahira F., die so gerne mit Kindern arbeiten möchte, ist seit zweieinhalb Jahren mit Mann und elfjährigem Sohn in Deutschland, war in Pakistan Lehrerin und spricht gut Englisch.

Dagmawit A. ist erst 21, wurde in Eritea geboren und konnte dort nie eine Schule besuchen. Umso erstaunlicher sind ihre Deutschkenntnisse nach knapp zwei Jahren. „Ich habe Lesen und Schreiben gelernt und möchte nun den Hauptschulabschluss machen“, erklärt sie selbstbewusst. Aus dem einst schüchternen Mädchen ist eine Frau geworden, die weiß, was sie will. Helina M. („Ich habe einen bunten Lebenslauf“) wurde vor 32 Jahren in Afghanistan geboren, wuchs in Irland auf, hat als Lehrerin, Fotografin und TV-Redakteurin gearbeitet. „Gerne möchte ich wieder etwas mit Foto oder Film machen. Oder vielleicht werde ich auch Steuerberaterin“, sagt die zweifache Mutter.

Integrationskurse ergänzen das Programm

Die 25-jährige Amena H. hat schon Jura studiert. Doch der Master-Abschluss aus dem Iran ist in Deutschland nichts wert. „Gerne würde ich in Deutschland noch einmal Jura studieren“, sagt die junge Frau, die mit Youtube und Bildwörterbuch ihre ersten deutschen Wörter lernte. Sie nimmt vormittags am Kurs „Angekommen!“ teil, nachmittags am Integrationskurs und geht abends in den Park zum Laufen – und um sich mit Freunden zu treffen und Deutsch zu sprechen. Respekt. Vor allen diesen Frauen.