Auf Entdeckungsreise in den Frankfurter Stadtteilen Fechenheim: Jede Menge Überraschungen

Nach Cocoon Club und Moon 13 ist jetzt das Zoom im U.F.O.-Haus.

Frankfurt (sh) - Nennt man einen Frankfurter Stadtteil, hat fast jeder ein bestimmtes Wahrzeichen, etwas für den Stadtteil Typisches oder auch ein Klischee vor Augen. Redakteurin Sabine Hagemann hat die Frankfurter Stadtteile besucht, sie erlaufen, auf sich wirken lassen und sich umgeschaut, was es dort neben den üblichen Sehenswürdigkeiten noch so gibt.

Viele verknüpfen mit Fechenheim vor allen Dingen das Chemie-Unternehmen Cassella, das mittlerweile als Allessa GmbH firmiert. Weltruhm hat allerdings eine ganz andere Fechenheimerin erlangt: Die weiße Araberstute Jenny, die jahrelang eigenständig im Stadtteil spazieren ging. Schon jetzt wird klar, dass dieses Fleckchen Erde im Frankfurter Osten immer für eine Überraschung gut ist.

Ich starte meine Tour am Main, an der Fußgänger- und Radfahrerbrücke Arthur-von Weinberg-Steg, der Fechenheim und Bürgel verbindet. Dort gibt es eine Straßenbahnhaltestelle, aber –Überraschung – auch eine Schiffsanlegestelle der Primus-Linie, sodass man von dort nach Seligenstadt oder Aschaffenburg schippern kann. Von der Brücke aus hat man einen tollen Blick auf die Fechenheimer Uferpromenade, die von Pappeln gesäumt ist. Als markante Punkte ragen der spitze Kirchturm der Herz-Jesu-Kirche und ein Schornstein des Cassella-Werks über die Wipfel.

Bevor ich am Main entlanggehe, widme ich mich dem alten Ortskern des Stadtteils. An der Einkaufsstraße Alt-Fechenheim mit Bäckereien, Friseuren und Gastronomie verblüfft vor allem ein elegantes Einrichtungshaus mit edlen Designermöbeln. Noch eine Besonderheit: Der Heimat- und Geschichtsverein Fechenheim unterhält einen schnuckeligen „Tante-Emma-Laden“, den man besichtigen kann und dessen Exponate an die „gute alte Zeit“ erinnern.

Ich biege rechts in die Pfortenstraße ab, wo mich das reich verzierte Alte Rathaus aus dem Jahr 1902 begrüßt. Gegenüber befindet sich die evangelische Melanchthonkirche. Ich schlage mich zur Adresse Burglehen durch, doch der Ort ist im Stadtteil besser als „Linneplatz“ bekannt. Dort, rund um den Sandsteinbrunnen, der das Konterfei des Fechenheimer Pädagogen und Komponisten Jean Pauli trägt, feiern die Fechenheimer ihre Feste wie das Fischerfest und den Weihnachtsmarkt. Ganz in der Nähe befindet sich der ehemalige Stall der eingangs erwähnten Stute Jenny, die dieses Jahr gestorben ist. In ihrem ehemaligen Zuhause ist eine Erinnerungsstätte entstanden, die man besuchen kann.

Jetzt geht es zum Main. Der Weg führt mich von der Helmut-Sittler-Promenade durch die Auenlandschaft entlang der Mainschleife. Doch zunächst geht es vom Mainufer auf den Friedhof – mit einer weiteren Überraschung: Der Verein Polymer FM hat das ehemalige Totenhaus vor dem Abriss bewahrt und ihn zu einem Kulturpavillon umgestaltet. Jetzt gibt es dort wechselnde Ausstellungen, Konzerte und Lesungen. Weiter geht es den Mainbogen entlang, wo das Umweltamt Altarme und Gewässer angelegt sowie eine kleine Insel geschaffen hat, die den Tieren vorbehalten ist.

Ich laufe bis zur Carl-Ulrich-Brücke, über die man nach Offenbach gelangt. Es verschlägt mich nun ins Fechenheimer Gewerbegebiet. Dort ist zum Beispiel der Tierschutzverein Frankfurt nebst Tierheim ansässig. An der großen Kreuzung werfe ich einen Blick auf das sogenannte U.F.O.-Haus, einem Ardi-Goldman-Bau, in dem zuerst Sven Väths Cocoon Club, dann das Moon 13 untergebracht waren und in das jetzt das Zoom eingezogen ist und für spannende Livekonzerte sorgen wird. „Bewacht“ wird das Gebäude vom „Eisenmann“, einer Skulptur des polnischen Künstlers Zbigniew Fraczkiewicz.

An der Adam-Opel-Straße passiere ich Gebäude des ehemaligen Neckermann-Areals. Auf dem Gelände des pleite gegangenen Versandhändlers entsteht derzeit ein Rechenzentrum. Der Fußmarsch bringt mich schließlich zum Gartenbad an der Konstanzer Straße. Das beeindruckende Schwimmbad-Gebäude mit den umlaufenden Sprossenfenstern wurde 1927 von Martin Elsaesser errichtet. Ich komme schließlich wieder an der Straße Alt-Fechenheim an, gehe nun aber in die andere Richtung, nämlich nach Norden. Es geht vorbei an der katholischen Herz-Jesu-Kirche, von der ich vom Main aus nur die Turmspitze gesehen habe.

Die Straße führt an den Backsteinmauern des Cassella-Werksgeländes entlang, wo im Lauf der Jahre ein kleiner Industriepark entstanden ist. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ragen riesige Reaktoren einer biologischen Abwasserreinigungsanlage empor. Aufgelockert wird der Industrie-Charme von großformatigen, bunten Fotos, die an der Mauer montiert sind. Wieder eine Idee des Vereins Polymer FM.

An der Kreuzung an der Mainkur wende ich mich nach rechts, wo sich der „Bier-Hannes“ befindet, eine Gastwirtschaft mit –Überraschung – einer Privatbrauerei. Man kann sogar einen Blick auf die kupfernen Bottiche der Brauerei werfen. Per Unterführung passiere ich die Gleise der Regionalbahn – dort soll irgendwann einmal die Nordmainische S-Bahn drüberrattern. Jetzt geht es in den Waldspielpark Heinrich-Kraft-Park, der mit dem „Tabaluga-Land“ über einen inklusiven Spielbereich verfügt, auf dem behinderte und nicht-behinderte Kinder zusammen spielen können.

Ein Spaziergang durch den Wald lohnt sich. Man kommt zum lauschigen Fechenheimer Waldsee und kann einen ehemaligen Wasserturm erspähen, der zu Wohnraum umgewandelt wurde. Bevor ich die Tour beende, möchte ich noch einen Blick in das Gewerbegebiet nördlich der Bahngleise werfen, denn dort gibt es noch ein paar Highlights: An der Orber Straße befindet sich die „Klassikstadt“, ein Treffpunkt für Old- und Youngtimer mit Werkstätten, Verkaufsräumen und Gastronomie. Man kann die Klassikstadt bei freiem Eintritt besuchen und sich die im Privatbesitz befindlichen Automobile anschauen.

An der gleichen Straße ist das Kulturgelände des Vereins Protagon mit seinem auf Straßentheater spezialisierten Künstlerkollektiv. Und wenn man sich weiter durch das Gewerbegebiet bewegt, kann man an der Salzschlirfer Straße – gegenüber der Freikirche Christliches Zentrum Frankfurt – wieder über etwas staunen: Dort wird nämlich der berühmte Kaffee von Wacker’s geröstet. Puh, für einen Besuch in Fechenheim sollte man ordentlich Zeit einplanen!

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