Veronika Kneip und Regine Graml verweisen auf stereotype Denkmuster als Karrierehindernis Homeoffice nach Corona: Karrierechance oder -killer?

Veronika Kneip Bild: Jan Schimitzek/p

Nordend-West (red) – Ein Nebeneffekt der Corona-Pandemie bestand darin, dass die Arbeit aus dem Homeoffice für viele Beschäftigte zum „New Normal“ geworden ist. Für Frauen nährten die fortschreitende Digitalisierung und flexible Arbeitszeitmodelle die Hoffnung, dass sich dadurch neue berufliche Chancen ergeben könnten.

„Das Arbeiten von Zuhause ist nicht automatisch eine Karrierechance.“ So umreißen Veronika Kneip und Regine Graml die Ergebnisse ihrer Literatur-Studie „career@home“, auf die sie anlässlich des Frauentags am 8. März verwiesen haben. Als Grund für Nachteile vor allem für Frauen analysierten die Wirtschaftswissenschaftlerinnen der Frankfurt University of Applied Sciences (UAS), dass trotz der generellen Akzeptanz von Arbeiten im Homeoffice ein kultureller und struktureller Wandel in vielen Unternehmen noch aussteht.

Während mobiles Arbeiten von Unternehmen zunächst rein als Krisenintervention gesehen wurde, stellten viele Arbeitgeber fest, dass mehr Aufgaben als zuvor angenommen – insbesondere auch anspruchsvolle Aufgaben – aus dem Homeoffice erledigt werden können. Inzwischen fordern Arbeitnehmer selbstbewusst Homeoffice-Tage ein und das mobile Arbeiten ist fest in den Dienstvereinbarungen vieler Unternehmen verankert. „Insbesondere Frauen müssen sich dabei jedoch bewusst sein, dass sich die Arbeit aus dem Homeoffice negativ auf ihre Karriere auswirken kann“, sagt Kneip. Hintergrund ist das sogenannte Flexibilitäts-Stigma: Dieses leitet sich aus dem nach wie vor weit verbreiteten Stereotyp des idealen Arbeitnehmers ab, der sowohl zeitlich als auch örtlich allzeit verfügbar ist. Diese Art der ständigen Verfügbarkeit dient Führungskräften häufig unbewusst als Indikator für qualitativ hochwertige Arbeit und hohes Engagement. Dem gegenüber wird jede Art von flexibler Arbeit als ein Bruch mit dem Ideal und Abweichung vom vermeintlichen Optimum angesehen.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Arbeiten von Frauen im Homeoffice anders gesehen wird als bei Männern. „Frauen im Homeoffice wird eine geringere Produktivität als Männern zugeschrieben. Daraus ergeben sich weitere Benachteiligungen für Gehalt und Karriere“, erläutert Graml. Inwieweit solche negativen Folgen auftreten, hängt nicht zuletzt von dem tatsächlichen oder auch nur vermuteten Grund für die Arbeit in flexiblen Settings ab. Entscheidend ist dabei das „wahrgenommene Engagement“, je nachdem, ob berufliche oder private Gründe für flexibles Arbeiten angeführt oder angenommen werden. Dabei wird Frauen häufig per se unterstellt, dass sie flexible Arbeitsformen primär nutzen, um einen Fokus auf Aufgaben in ihrem privaten Umfeld zu legen und dass damit ein geringeres Engagement in der beruflichen Tätigkeit einhergeht.

Mit der Normalisierung der Homeoffice-Tätigkeit und der steigenden Akzeptanz zeichnet sich zwar eine leichte Trendwende ab. „Allerdings sind die genannten stereotypen Denkmuster nach wie vor mächtig“, sagt Kneip. „Im Rahmen unserer Forschung kommen wir zu dem Schluss, dass es eines zusätzlichen Wandels der Unternehmenskultur und -struktur bedarf, damit das mobile Arbeiten nicht mit einem Karriereknick einhergeht. Dabei geht es vor allem um eine Konsistenz zwischen formalen und informalen Praktiken: Viele Unternehmen bieten zwar flexible Arbeitsmodelle an und bekennen sich offiziell zu individuellen Arbeits- und Lebensmodellen, halten informell jedoch am traditionellen Bild des idealen Arbeitnehmers fest. Dies geht vielfach damit einher, dass es keine transparenten Kriterien und Prozesse für Karriereentwicklungen gibt. Das birgt die Gefahr, dass Anwesenheitszeit weiter mit Engagement gleichgesetzt und entsprechend honoriert wird.“

Damit die „Face Time“ im Büro nicht länger über Karrierechancen entscheidet, müssen Unternehmen Personalentwicklungs- und Leistungsbeurteilungssysteme entsprechend anpassen, Karrieremöglichkeiten transparent machen und eine moderne Unternehmenskultur entwickeln, die nicht mehr vom Idealbild des allzeit verfügbaren (männlichen) Arbeitnehmers geprägt ist.

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