Ausstellung im Museum für Kommunikation widmet sich Fluchen und Flüchen Kraftausdrücke sind Kopfsache

Rolf-Bernhard Essig erklärt anhand eines Modells, wo das Gehirn Kraftausdrücke speichert.

Sachsenhausen (jf) – Ulattius Severus hat eine Witwe um das Vermögen ihres Gatten gebracht. Deshalb bittet sie die göttliche Mater Magna, diesen Diebstahl zu rächen und verflucht den Räuber. Niedergeschrieben wurden die Zeilen im ersten oder zweiten Jahrhundert auf eine Fluchtafel aus Blei. Eine Reproduktion davon ist in der Ausstellung „Potz! Blitz! Vom Fluch des Pharao bis zur Hate Speech“ im Museum für Kommunikation zu sehen.

„Geflucht haben wahrscheinlich schon die ersten Menschen, wenn sie mit dem Faustkeil abgerutscht sind. Aber Zeugnisse davon gibt es erst mit Entstehung der Schrift“, erläutert Kurator Rolf-Bernhard Essig. Er konzipierte die Exposition im Forum auf der ersten Etage des Museums. Die Schau ist ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Museum für Kommunikation Nürnberg. „Es ist eine vergnügliche Ausstellung, in der kleine und große Besucher selbst aktiv werden können“, stellt der Frankfurter Direktor Helmut Gold fest. Und sie bietet Lokalkolorit: In der Mainmetropole kann jeder die Tafel heimischer Schimpfwörter vervollständigen.

Ist Fluchen erlaubt? Religion und Obrigkeit waren weltweit strikt dagegen. Gleichwohl steht in der Bibel nach Evas Biss in die von der Schlange empfohlene Frucht: „Da sprach Gott der Herr zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seist du verflucht …“ Doch schuf Gott den Menschen nicht nach seinem Bilde? Die meisten Verbote halfen nichts, selbst im 18. Jahrhundert aufgestellte Schwörbüchsen, in die bei Gebrauch von Schimpfwörtern ein Obolus zu entrichten war, nützten nichts.

Die Legende vom „Fluch des Pharao“ wird gerade im Jubiläumsjahr wieder kolportiert. Richtig ist, dass Lord Carnarvon, der die Ausgrabung von Tutanchamun am 4. November 1922 finanzierte, fünf Monate später starb. Nicht jedoch am „Fluch“, sondern an Blutvergiftung. Seine Tochter Evelyn, die ebenfalls bei der Graböffnung dabei war, lebte anschließend noch fast 60 Jahre, Grabungsleiter Howard Carter noch 17 Jahre. Abschreckend war die Legende jedoch möglicherweise für Grabräuber.

Was hat das Hirn mit dem Fluchen zu tun? Viel, wie ein Modell verdeutlicht. „Forscher gehen davon aus, dass Kraftausdrücke – vor allem der frühkindlich erlernten Sprache – anders gespeichert werden als neutrale Wörter. Im vorderen Teil des Frontallappens werden Informationen gesammelt und Reaktionen geplant. Bei kleinen Kindern entwickelt sich der präfrontale Kortex erst noch, bei Demenz-Erkrankten verliert diese Kontrollinstanz an Einfluss“, erklärt Essig. So verwenden demente Menschen, die vorher nie Kraftausdrücke benutzten, ungehemmt die schlimmsten Schimpfwörter und entsetzen damit ihr soziales Umfeld.

Ob man als halbwegs gesunder Mensch flucht oder nicht, ist von vielen Aspekten abhängig. Grenzen setzen das Strafrecht, das Presserecht und die Herzensbildung. Allerdings kann Fluchen befreien und Schmerzen länger aushalten lassen.

Etwas anderes ist Hate Speech, also Hasskommentare, die schlimme Auswirkungen haben können. In der Ausstellung gibt es Tipps und Adressen für Betroffene. Zu sehen ist „Potz! Blitz“ im Haus am Schaumainkai 53 bis 29. Januar 2023. Mehr dazu gibt es unter mfk-frankfurt.de im Internet.