Lesung der Gruppe „Frauen Schreiben“: Eine Liste mit schönen Wörtern Lyrik weckt schlafende Gefühlswelten

Glücklich über den gelungenen Abend bedanken sich die Autorinnen beim Publikum (von links): Christina Kunz, Bärbel Vogt, Diana Scherer und Beate Bonifer. Bild: gruss

Seligenstadt – Ein rotes Cocktailkleid, ein pinkfarbener Koffer und ein weißer Würfel – dieses Bild bot sich den Zuschauern dieser Tage bei der Lesung der Gruppe „Luna – Frauen Schreiben“ im Jakobsaal in Seligenstadt. „Von Mäusen, Bohnen, Depressionen“, lautete der Titel der Lesung.

Ohne weiteren Kontext sind Titel und Bühnenbild ungewöhnlich. „Wer uns gut zuhört, wird den Titel im Laufe des Abends verstehen“, kündigt Beate Bonifer, eine der vier Autorinnen, an. „Lyrik erzählt Geschichten und weckt schlafende Gefühlswelten“, fügt sie hinzu und gibt damit einen Ausblick auf die folgenden Vorträge.

„Er breitete die Arme aus und sprang“, oder „Scherben, überall nichts als Scherben“, sind einzelne Textstellen, die in der Pause zum Gesprächsthema werden. Kurz darauf wippen die Füße der Zuschauer, passend zum Takt, während Christina Kunz singt: „Das Leben kann so richtig einfach sein“.

Von düsteren und tiefgründigen Themen bis hin zu fröhlichen und komischen Texten tragen die Autorinnen Bonifer, Kunz, Bärbel Vogt und Diana Scherer abwechselnd vor, was aus ihrer Feder stammt. Dabei bestehen manche Texte nur aus wenigen Wörtern, andere sind ausführlich und realistisch, wieder andere abstrakt – „Vier Frauen, vier Stile, vier Gefühlswelten“, beschreibt sich die Gruppe selbst.

„Ich habe eine Liste mit schönen Wörtern“, erklärt Bonifer „Davon habe ich drei ausgewählt und über sie ein Gedicht geschrieben“. Bevor die Frauen abwechselnd ihre Texte präsentieren, beschreiben sie, wie jene entstanden sind, oder verknüpfen eine Anekdote mit ihnen.

„Wenn Sie auch zu den Menschen gehören, die nach dem Aufstehen maximal einen Grashalm, aber sicher keine Bäume ausreißen können, werden Sie sich in diesem Gedicht wiederfinden“, leitet Bonifer ihre Hommage an Kaffeebohnen humorvoll ein. Besonders beachtlich ist, dass sie den angepriesenen Kaffee nur selten trinke: „Glühwein ist wohl das einzige Heißgetränk, das ich gerne mag“, ergänzt sie und schmunzelt. „Schreib´ doch mal was über Bauingenieurswesen und Architekten“, war die Anregung, die Kunz zu einer ihrer Geschichten inspiriert hatte. Vogt hingegen berichtet von einer Reise, an die sie ihr Text erinnere. „Wenn einen Situationen ärgern, kann man sie ignorieren, wütend werden, oder einfach ein Lied über sie schreiben“, fasst Kunz den Entstehungsprozess eines Liedes, das sie anschließend am Klavier vorträgt, zusammen.

Ergänzt sie die Lesung mit Musik, wippen im Publikum die Füße und Köpfe mit und nach jedem Vortrag – ob nun Gedicht, Geschichte oder Lied – ertönt kräftiger Applaus. Wie die Zuschauer die Texte interpretieren, bleibt ihnen überlassen: „Denken Sie sich jetzt ihren Teil“, fordert Vogt, nachdem sie einen ihrer Texte vorgetragen hat.

„Herrlich, toll!“, gibt sich Bonifer begeistert über das Publikum. „Wir haben nicht mit so vielen Menschen gerechnet und mussten sogar zusätzliche Stühle stellen“, freuen sich die Autorinnen am Ende der Lesung und laden das Publikum ein, noch zu verweilen. „Das habt ihr schön gemacht!“, bekommen sie im Anschluss von allen Seiten zugeflüstert, während sie sich mit dem Publikum über ihre Texte und die „Mäuse, Bohnen und Depressionen“ austauschen. Mit dem Verlauf des Abends sind die Autorinnen zufrieden, loben sich gegenseitig und strahlen, als sie sich vom Publikum verabschieden.

Von Lucy Gruss