Jubiläum: Gustav-Adolf-Kirche wird vor 100 Jahren eingeweiht „Koste es, was es wolle“

Die Gustav-Adolf-Kirche vor dem Zweiten Weltkrieg. Bild: privat

Heusenstamm – Es ist ein Jahr der Krisen: 1923 steht die junge Weimarer Republik vor dem Abgrund. Repressionszahlungen sowie Verbindlichkeiten bei den eigenen Bürgern treiben den Staat in immer höhere Schulden, es folgen eine Hyperinflation und politische Unruhen. In Heusenstamm wird trotz der Nöte ein Bau fertig, der sich von außen bis heute kaum verändert hat. Die Gustav-Adolf-Kirche bietet evangelischen Christen seit nun mehr 100 Jahren eine Heimat.

Den Wunsch nach einer eigenen Kirche äußern die Evangelen schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts, denn in der katholischen Schlossstadt gibt es die zu dieser Zeit nicht. Die Gläubigen, noch zur Gemeinde Bieber zugehörig, treffen sich ab 1861 in der Gaststätte „Zum Goldenen Löwen“, heißt es in der Kirchenchronik zum 100. Geburtstag. Ab 1869 verfolgen sie die Gottesdienste in einer Kapelle in Bieber.

1911 erwerben die Gläubigen eine Wiese am Ostrand der Stadt. Auf dem rund 200 Quadratmeter großen Grundstück soll nun ein neues Gotteshaus entstehen, doch dafür fehlt das Geld. Nur woher nehmen? „Die Finanzierung erfolgte durch Spenden, Verkauf von Bausteinen und Haussammlungen“, listet die Chronik auf. Auch der Hauptverein der Gustav-Adolf-Stiftung hilft. Die ersten Baupläne gibt der 1913 entstandene Kirchenbauverein 1921 in Auftrag. Im April des folgenden Jahres erhält er die Baugenehmigung. Die Kosten werden auf etwa 505 000 Mark geschätzt. Der Spatenstich erfolgt am 15. Mai 1922, am 25 Juni desselben Jahres liegt der Grundstein.

Die Hyperinflation 1923 treibt auch die Kosten für den Bau. Doch die Kassen der Landeskirche, der Stiftung und der Gläubigen sind leer. Sie stemmen sich jedoch gemeinsam gegen einen Baustopp. Die Kirche werde fertiggestellt, „koste es, was es wolle“, bekunden die Beteiligten. Hilfe erhalten sie von Angehörigen aus dem Ausland. Geld kommt unter anderem aus Schweden, der Schweiz oder den USA. Und so wird der Bau am 30. September 1923 doch noch abgeschlossen – für rund 73 Billionen Mark.

Die Außenfassade aus Sandstein ist bis heute unverändert geblieben. „Was hätte man auch verändern sollen? Alles andere hätte den Charakter der Kirche verändert“, meint Rolf Bollinger, seit 1966 Mitglied der Gemeinde und Mitverfasser der Kirchenchronik. Von den Folgen des Zweiten Weltkrieges bleibt die Kirche jedoch nicht verschont. Bei einem Bombenangriff am 20. Dezember 1943 werden die Decke und einige Fenster beschädigt. Das Gotteshaus wird geschlossen und dient vorerst als Lager.

Neun Jahre nach Kriegsende gestaltet die Gemeinde den Innenraum neu. Die Bänke und Empore wurden grau gestrichen, die bunte Decke verdeckt. Die Betenden sollen sich gänzlich auf das Wort Gottes konzentrieren können. 1974 folgt die zweite Renovierung. Da sich die Gemeinde seit Ende des Krieges durch den Zuzug nach Heusenstamm großem Zuwachs erfreut, muss mehr Platz geschaffen werden. „Die Bänke wurden daher durch braune Stühle ersetzt“, berichtet Karl Rathgeber, Mitglied des Kirchenvorstandes und ebenfalls Mitautor der Chronik. Die Empore erhält einen braunen Anstrich, die Decke wird wieder enthüllt. „Das passte besser zum damaligen Lebensgefühl“, erläutert Rathgeber.

Seinen Charme hat das Gotteshaus seit seiner Eröffnung nie verloren. „Mich hat die Kirche von außen immer beeindruckt“, sagt Bollinger. Susanne Winkler, seit zehn Jahren Pfarrerin in der Gustav-Adolf-Kirche, empfindet das Gotteshaus als ihr Zuhause. Mit Blick auf die Geschichte sagt sie: „Hundert Jahre sind nicht viel, aber die Kirche hat schon viel erlebt.

Konzert zum Jubiläum
Zum 100. Geburtstag der Kirche feiert die evangelische Gemeinde am Samstag, 2. September, ein Jubiläumskonzert. Los geht’s um 18 Uhr in der Frankfurter Straße 80.

Von Joshua Bär

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