Rundgang durch die Stadt im Gedenken an die jüdischen Mitbewohner Stolpersteine erinnern an Ermordete

Stolpersteine in Heusenstamm erinnern an Deportation und Ermordung jüdischer Mitbürger.

Heusenstamm – Der Vater von Hugo Rollmann führte eine beliebte Metzgerei gegenüber der Adalbert-Stifter-Schule. Der Sohn heiratete 1932 Rosa Reichenberg aus der Wetterau, alles sah nach einem harmonischen Familienleben aus. Bis der neue Heusenstammer Bürgermeister den Rollmanns ein Schlachthaus-Verbot auferlegte und sie damit ihrer Existenzgrundlage beraubte. Drei Stolpersteine mit den eingravierten Namen erinnern vor dem Gebäude in der Schulstraße an die vormaligen Bewohner, die von den Nazis ermordet wurden.

Rund 50 Interessierte zogen zu den Adressen, an denen einst Schlossstädter jüdischen Glaubens gelebt haben. Ein Gottesdienst in der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche ging dem Rundgang voraus, Pfarrerin Sandra Scholz gedachte in Liedern und Gebeten der vor 80 Jahren deportierten Menschen. Gisela Beez von der Stolperstein-Initiative und Dr. Roland Krebs, Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins, führten zwei Gruppen durch die Altstadt.

An elf damals verschleppte und ermordete Bürgerinnen und Bürger erinnern noch keine golden glänzende Mahnmale im Gehsteig. Bürgermeister Steffen Ball möchte das im Einklang mit den heutigen Eigentümern der Immobilien nachholen. Das betrifft auch ein Haus an der Frankfurter Straße, in dem Moritz Frankfurter mit seiner Familie gelebt hat. Am Beispiel der Ehrmann-Buben zeigt Gisela Beez, dass die Heusenstammer jüdischen Glaubens vollumfänglich zur Dorfgemeinschaft gehörten. „Damals zählte der Ort gerade 3500 Personen, reichte bis zu Bahnhof und evangelischer Kirche. Juden lebten seit dem 15. Jahrhundert in der Kommune.“ Etwa ein Drittel wählte seinerzeit die Zentrumspartei, auch SPD und KPD waren stark vertreten, der Bürgermeister ein Sozialdemokrat. Weil es noch keine elektronischen Medien gab, nur wenige Radios, wurde die Bürgerschaft über Lautsprecher-Durchsagen und bei Aufmärschen informiert. Auch Vereine und Gaststätten spielten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Nachrichten.

Die Männer der Familie Rollmann, berichtete Richter weiter, wurden in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht, die Frauen sollten innerhalb von drei Wochen ausreisen. Sie verkauften das Haus für 8700 Reichsmark. Das Geld wurde jedoch auf ein Sperrkonto der Staatsbank überwiesen. Die Summe hätten die Rollmanns dringend für Visa und Überfahrt zu Verwandten in Amerika gebraucht.

Im Oktober 1941 wurden die Rollmanns aus einem Altenwohnheim in Frankfurt-Unterlindau abgeführt. In der Großmarkthalle hat man sie entwürdigend auf Wertgegenstände untersucht. Tags darauf wurden sie nach Lodz gebracht, dort verliert sich ihre Spur. Auch über die Geschwister Julius und Sarah, die in der Eckgasse wohnten, fehlen Dokumente über ihren Verbleib. Vorm Haus der Stadtgeschichte, in Höhe der ehemaligen Synagoge an der Kirchstraße, haben Stadtverordneten-Vorsteher Peter Jakoby, Rathauschef Ball und Vertreter des Geschichtsvereins einen Apfelbaum der Sorte KZ3 gepflanzt, die der Pfarrer Korbinian Aigner während seiner Gefangenschaft im Konzentrationslager gezüchtet hatte.

Von Michael Prochnow