STADTKAPELLE Ehemalige und aktuelle Vorsitzende blicken auf 115 Jahre zurück Mit dem Tirolerhut nach Kanada

Die Stadtkapelle nimmt 1908 ihren Anfang und zählte damals – wie heute – rund 70 Mitglieder. Bild: p

Heusenstamm – Die Stadtkapelle feiert in diesem Jahr ihr 115-jähriges Bestehen. 1908 als „Harmonie“ gegründet, 1920 in Orchesterverein umbenannt und seit 1961 als Stadtkapelle betitelt, gehört der gemeinnützige Verein fest zur Kulturlandschaft der Schlossstadt. Die aktuelle Vorsitzende Marion Bax und die ehemalige Vorsitzende Hannelore Reissmann berichten von „Talfahrten“ und Höhepunkten, gemeinsamen Konzerten in Partnerstädten und davon, dass der Name „Stadtkapelle“ eigentlich falsche Erwartungen weckt. Denn inzwischen liegt der Fokus des Blasorchesters auf Swing, Jazz, Soul und Funk.

„Bei einer Kapelle erwarten die meisten so etwas wie Marschmusik“, sagt Bax, „aber darauf haben wir gar keine Lust.“ Denn nach dem Motto „Genau dein Swing“ hat sich das Orchester aus 30 aktiven Musikern über die Jahre zu einer Bigband entwickelt. Heute lädt die Stadtkapelle zu regelmäßigen Tanztee-Veranstaltungen und Quizabenden ein, im Advent sind moderne Swing-Nummern auf dem Nikolausmarkt zu hören. Einzig das für Oktober geplante Jahreskonzert, auf dem die Mitglieder gern auf den Geburtstag angestoßen hätten, muss vorerst krankheitsbedingt verschoben werden. Die Vorsitzende teilt mit: „Das holen wir aber definitiv nach.“

Gegründet wurde die Stadtkapelle 1908 von einigen Mitgliedern des Gesangsvereins „Concordia“, damals noch unter dem Namen „Harmonie“. Bereits zum Ende des Gründungsjahres hatte sich das Blasorchester mit Musikern und angeschafften Instrumenten so gut aufgestellt, dass erste Stücke auf öffentlichen Veranstaltungen präsentiert werden konnten. Der Erste Weltkrieg brachte die Vereinsarbeit zunächst ins Stocken; durch die Zusammenlegung mit der „Concordia“ sicherte man den Fortbestand schließlich gemeinsam ab 1920 als „Orchesterverein“. Unter diesem Namen spielten die Mitglieder zunächst klassische Blasmusik mit Polka, Walzer sowie Marsch und machte sich einen Namen. Der Verein wurde etwa zur Hauskapelle der Henniger-Bräu in Frankfurt.

Nach der Verleihung der Stadtrechte an Heusenstamm beantragte der damalige Vorstand, dass sich der Verein offiziell als „Stadtkapelle“ bezeichnen dürfe. „Das ist sowohl ein Titel als auch ein Auftrag“, findet die heutige Vorsitzende Bax, die seit ihrer Kindheit dem Verein treu ist. Die Stadtkapelle machte sich schnell einen Namen. So kam es, dass das Orchester 1976 ins kanadische Calgary flog, um dort auf einem 14-tägigen Oktoberfest zu spielen. „Wir haben dafür alle einen Tirolerhut bekommen und flogen mit drei anderen Kapellen nach Kanada“, erinnert sich Reissmann, die seit 54 Jahren Mitglied der Stadtkapelle ist – und damals die einzige Frau unter 120 Musikern.

Nach dem Ausflug wurde im Orchester der Wunsch laut, das Programm zu modernisieren. Gleichzeitig gründete Erwin Schlitz, Vater von Marion Bax, die Jugend-Combo „The Summertimes“, die sich musikalisch bereits modernen ausrichteten. Das diente Norbert Emmerich, der ab 1977 die musikalische Leitung innehatte, als Fundament – und er legte damit den Grundstein für das, was die Stadtkapelle heute auszeichnet: moderne Blasmusik.

Der Verein zählt derzeit 70 Mitglieder, 30 davon sind aktive Musiker. Da derzeit die Ausbildungsmöglichkeiten fehlen, kann die Stadtkapelle aktuell nur Musiker aufnehmen, die ihr Instrument und das Notenlesen beherrschen. Die Proben finden dienstags um 20 Uhr im Saal für Vereine (Rembrücker Straße 3) statt.

Von Lisa Schmedemann