Graffiti-Workshop gegen Rassismus und für Vielfalt im JUZ Werke nicht für die Ewigkeit

Wie man mit Spraydosen umgeht, haben junge Menschen beim Ferien-Workshop der städtischen Jugendförderung gelernt. Foto: M

Heusenstamm – Eingetreten sind die jungen Leute durch ein schlichtes Eisentor mit Holzlatten. Als sie Haus und Hof verlassen, fällt hinter ihnen ein Kunstwerk ins Schloss: „JUZ“ prangt jetzt in fetten rosafarbenen Buchstaben auf dem hellen Untergrund. Noch mehr Farben leuchten an den Wänden, die das Gelände des städtischen Jugendzentrums an der Rembrücker Straße begrenzen: Die Kinder- und Jugendförderung hat während der Herbstferien zu einem Graffiti-Workshop eingeladen.

„Das sagt, was wichtig ist.“ Mit dieser knappen Formel begründet die elfjährige Elisa, warum ihre Gruppe die schwarz umrandeten Letter zu „Respect“ auf die bis dahin weiße Wand gesprüht hat. „Ohne Respekt kann man keine Gemeinschaft bilden“, ergänzt Aaron (14). Ohne Vertrauen auch nicht, darum prangen nebenan „Trust“ und „Peace“. „Wir haben englische Begriffe gewählt, weil sie meistens kürzer sind“, erläutert Philipp Wegener.

Der freiberufliche Diplom-Designer ist Absolvent der Offenbacher Hochschule für Gestaltung und im Kunst-Unterricht an mehreren Frankfurter Schulen tätig. „Wir haben uns einen strengen Kodex auferlegt“, steuert er den Bildern von vermummten Sprayern in der Nacht explizit entgegen. „Wer besitzt, entscheidet“, nämlich darüber, wer was auf seine Fassade aufträgt. Für die 15 Mädchen und Jungen im Juz vergleicht er das Eigentumsrecht so: „Ihr wollt auch nicht, dass jemand eure Kleidung oder euren Rucksack bemalt.“ Und „illegal wird schnell sehr teuer.“.

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Alles beginnt mit einem Plan, einer Skizze. „Sie müssen größer als DIN-A3 arbeiten und motorisch umdenken“, verweist Philipp auf die großen Flächen der Mauern, die größer sind als jeder Zeichenblock. Der Pädagoge möchte den jungen Leuten Werte vermitteln, „ohne die Gemeinschaft und Freundschaft nicht möglich sind“.

Das müssen nicht immer große Worte sein. Maja und Elisa zeigen einen Regenbogen, für sie ein „Zeichen der Freude“. Oder den bedrohlich dunklen, Feuer spuckenden Drachen. „OMG“, das in den sozialen Medien für den Seufzer „Oh mein Gott“ steht, dazu passen der Smiley und die Bananen. In sonnenwarmem orange-goldenen, mannshohen Lettern kann sich nun auch jeder Besucher auf dem Freigelände versichern, wo er sich befindet, im „JUZ“.

Die Kunstwerke müssen nicht für alle Ewigkeit Zeugnis des Treffens sein, stellt Philipp klar. Die Farben decken gut, können also einfach durch andere Motive ersetzt werden. Jetzt aber sollen die Schlüsselwörter an die Gespräche erinnern. Die Kinder und Jugendlichen zwischen 11 und 21 Jahren sind sich schnell einig, dass die Einrichtung allen friedlich gesinnten jungen Menschen offensteht, gleich welcher Hauptfarbe, Religion oder sexuellen Orientierung.

Das Projekt unter dem Titel „Rassismus und Vielfalt“ war bereits für 2020 geplant – wegen der Pandemie hatte es verschoben werden müssen. Jetzt läuft die Aktion, unterstützt von der Initiative des Bundes-Familienministeriums, „Demokratie leben“. In drei Tagen verbrauchen die Teams fast 150 Spraydosen, lernen, welche Aufsätze einen dünneren oder einen dickeren Strahl erzeugen, wie die Farbe transparent erscheint oder kunstvoll verschwimmt und wie man die Dosen am besten hält und bewegt.

Zum Schutz vor der Chemie tragen alle Aktiven Plastikhandschuhe und Masken. Letztere sind sie ohnehin längst gewöhnt, sagt Jahn Scheel, Leiter der Kinder- und Jugendförderung. Und während Sara und Genevieve Technik und Themen vermitteln, stellt Jahn mit drei Mitarbeitern sicher, dass mittags Pizza geliefert wird, dass nebenbei Tischkicker, Billard und Gesellschaftsspiele genutzt werden können.

VON MICHAEL PROCHNOW