Stadtteilführung des Geschichtsvereins Besondere Zollkontrollen in Dietesheim

Hans-Jürgen Mloschin (rechts) gab viele Informationen, dazu gehörte auch eine Lageplan-Erklärung der Dietesheimer Ortsmauern. Foto: Geschichtsverein

Mühlheim (red) – Ein Historiker muss nicht nur ein wachsames Auge für geschichtliche Texte und Überlieferungen haben, er muss auch einen geschärften Blick für auffällige oder unauffällige Verzierungen an den Gebäuden eines Ortes haben – vor allem dann, wenn daran Zeichen und Symbole erkenn- und interpretierbar sind, die in früheren Zeiten schützend, Unheil abwehrend oder mahnend gedacht waren.

Und dafür bewies Hans-Jürgen Mloschin, Zweiter Vorsitzender des Geschichtsvereins, bei einem weiteren Rundgang durch Dietesheim profunde Fachkenntnis. Fast 50 Bürger waren der Einladung des Geschichtsvereins gefolgt. Sie erfuhren, dass der „Dalles“ eine wichtige und gefährliche Kreuzung für den überörtlichen Verkehr nach allen Richtungen war. Dort steht noch heute ein barockes Wegekreuz von 1732, dass die Menschen damals an die göttliche Obhut all ihrer Tätigkeiten erinnerte.

Ein übereifriger Handwerker hätte beinahe bei der Restaurierung der Inschrift die religiöse Bedeutung umformuliert, wäre da nicht ein kenntnisreicher Bürger eingeschritten und hätte deutlich gemacht, dass der in der Sockelinschrift erwähnte „Löwe von Judäa“ kein Untier, sondern die Bezeichnung für Jesus selbst ist. Der nebenan in der Hauptstraße bis in die 50er Jahre vorhandene Ortsbrunnen versorgte den südlichen Teil Dietesheims sowie die auf der Mainuferstraße Reisenden mit qualitativ sehr gutem Wasser. Da es sich dabei um Grundwasserströme aus dem höher gelegenen Süden handelte, war der Genuss aus diesem Brunnen – gesundheitlich gesehen - nicht so riskant wie der Trunk aus den tiefer gelegenen Brunnen, in denen sich teilweise Sickerwasser des Mains befand.

Ein roter Hahn am Turm

Beim Dietesheimer Feuerwehrhaus an der Neustraße wies Mloschin auf das nachträglich angebrachte Baudatum von 1939 hin. Der Schlauchturm und die Wagenhalle seien schon 1937 fertig gebaut worden. Man habe 1939 als Jahreszahl zur Einweihung genommen, weil damals das Gebäude als Geschenk für die Zusammenlegung Dietesheims mit Mühlheim deklariert wurde. Und auf noch eine Besonderheit wies der Historiker hin: Über dem Einweihungsdatum wurde ein roter Hahn am Turm angebracht und nicht St. Florian, der eigentliche Schutzpatron der Feuerwehrleute. „Christliche Symbole waren in der Nazi-Zeit nicht gelitten.“

Weitere symbolträchtige Zeichen hat Mloschin am Haus Hanauer Straße 52 ausfindig gemacht. Dort ist das Andreaskreuz als Abwehrzeichen vor Unglück und Unbill viermal dargestellt. Außerdem drei Rauten, gemeint als Kegelspiele, die aber nur acht Kegel aufweisen, der neunte in der Mitte fehlt jeweils. „Das sollte für den Teufel als Personifizierung des Unglücks eine unlösbare Aufgabe sein und ihn daran hindern, in das Haus einzudringen.“ Gleiche und ähnliche Abwehrzeichen waren noch im weiteren Verlauf des Rundgangs an den Fachwerkgebäuden der Ober- und Untermainstraße zu entdecken.

Historische Symbole und Zeichen

Bei der Kirche St. Sebastian und dem Pfarrhaus daneben erfuhren die Teilnehmer, dass Dietesheim früher eine Filiale der Kirche von Mühlheim war. An Dachgiebel und Zaunpfosten der heutigen Kirche sind dreiblättrige Kleeblätter zu erkennen, das Zeichen für die göttliche Trinität. An der Außenwand zur Straße ist Jesus als Schäfer dargestellt, der ein Schäfchen schultert und auf das Gleichnis vom guten Hirten hinweist. „Hintergedanke war allerdings auch noch, an den Minderheitenschutz zu appellieren. Religiös Benachteiligte, ebenso wie das zu sehende Schäfchen in Gefahr, sollten ebenso gewürdigt werden. Die Katholiken in Dietesheim, Mühlheim und Lämmerspiel waren tatsächlich im evangelischen Großherzogtum Hessen in der Minderzahl. Man wehrte sich gegen Auflagen der Wilhelminischen Zeit. Beispielsweise durften die Pfarrer nicht gegen Staat und Kaiser predigen oder politische Meinungen vertreten. Viele Pfarrer landeten vor 1900 im Gefängnis, weil sie gegen Bismarcks Kanzelparagraphen (1871) sündigten“, so Mloschin ergänzend.

Historische Symbole und Zeichen sind auch auf dem Jugendstilhaus in der Elisabethenstraße 10 zu finden, erkennbar am hohen Mansarddach und dem eingestellten Giebelerker. Auffallend ist ein gemeißeltes Herz an der Kellerfront. „Das ist kein Abwehrzeichen, sondern ein Glückszeichen, das an den Lebensreformgedanken Anfang des vergangenen Jahrhunderts erinnern soll. „Man wandte sich dem privaten Leben und den reformerischen Gedanken zu und stellte das Individuum und das unberührte häusliche Glück in den Mittelpunkt. Es ist eher unsere private Herzensangelegenheit als Sache der Öffentlichkeit, was in diesem Hause geschieht“ – so wurde damals mit der übergroßen Darstellung des Herzsymbols formuliert.

Früher gab es Pforten für Fischer

Ein weiterer Schwerpunkt des mittlerweile von strömenden Regen begleitenden Rundgangs waren die Mauern rund um Dietesheim. Um 1610 entstand die erste Mauer zum Schutz der Einwohner vor Hühnerdieben, aber auch vor kriegerischen Übergriffen.

Reste davon sind noch am „Fischerhaus“ an der Obermainstraße und am Bornweg zu erkennen. 1738 wurde im westlichen Teil von Dietesheim eine neue Mauer erstellt, etwa in der Fortsetzung der Thomas-Mann-Straße. Ein Großteil davon ist heute noch erhalten. Dort stand auch ein Zollhäuschen, nachweisbar 1835, in dem ein Zöllner nach unverzollten Waren schaute, die nach Hessen-Darmstadt unterwegs waren. So einen Zöllner, außerhalb der Hauptzollstellen, gab es entlang des Mains nur in Dietesheim. Die Mauer hatte keine Hochwasserschutzfunktion – eine solche kam erst viel später - , es gab Pforten für die Fischer um an den Main und die Mainhäfen zu gelangen.

Heute heißt der Weg entlang des besterhaltenen Mauerteils Schultheiß-Neeb-Pfad, benannt nach dem damaligen Ortsbürgermeister.