Jumelage Mühlheim / St. Priest lebt trotz Pandemie weiter Freundschaftliche Bande

Deutsch-französische Freundschaft: Bürger aus Mühlheim und St. Priest hoffen, dass die pandemische Lage bald wieder Treffen möglich macht. archivFoto: p

Mühlheim – „Wir haben uns alle vier Wochen hier oder in Frankreich getroffen, haben bei den Freunden übernachtet, gemeinsam das Frühstück zubereitet oder gekocht.“

Eleonore Blöcher blickt etwas wehmütig auf die Zeit im Freundeskreis Mühlheim-Saint-Priest zurück. Bis heute halten sich noch viele der einst 30, 40 Mitglieder per E-Mail auf dem Laufenden. Doch die zehnstündige Busreise muten sich die leidenschaftlichen Europäer der ersten Stunde nicht mehr zu. Und dann bremst sie noch die Pandemie aus.

Bereits vor 60 Jahren flammte im Rathaus die Idee der Städtepartnerschaft auf. 1962 wurde der Gedanke erstmals konkret in den Gremien der Mühlenstadt diskutiert, hält die Chronik fest. Die Stadtoberen buhlten um eine französische Kommune gleichen Namens, Moulinssur-Allier, also Mühlheim an der Allier.

Die Namensgleichheit ließ eine Verbindung reizvoll erscheinen, doch das französische Mühlheim war schon vergeben.

Im Mai 1965 trafen sich französische Kommunalpolitiker aus dem Raum Lyon bei der Deutschen Sektion in Mühlheim. Unter den Gästen befand sich Paul Doutre aus Villeurbanne. Ihm fiel auf, „dieses Mühlheim entspricht ziemlich genau den Vorstellungen, die der Kollege Ottina von einer Partnerstadt für sein Saint-Priest hat“.

Mehr auf Seite 2

Der Wunsch-Ort sollte auch in der Nähe einer Metropole liegen und ebenfalls „einen jungen Bürgermeister“ haben.

Das hatte die Kleinstadt an Main und Rodau: Der junge Werner Grasmück hatte gerade die Nachfolge von Anton Dey angetreten und reiste mit dem eigenen Auto in den Kreis Lyon. Ex-Kindergartenleiterin Blöcher weiß noch, wie er am Ziel ohne Sprachkenntnisse „eine Frau in Kittelschürze, die gerade den Briefkasten leerte, nach dem Rathaus fragte“. Sie stellte sich als Deutsche vor, begleitete ihn zu Ottina und fortan bei den internationalen Begegnungen.

Eine der ersten galt der Unterzeichnung des Verschwisterungsvertrags. Das wurde vom 10. bis 12. Februar in Frankreich gefeiert und am 20. Mai 1966 auf hessischer Seite. Die erste Urkunde, mit Wachssiegel gebunden, prangt in einer Vitrine im Rathaus an der Friedenstraße. Saint-Priest hat heute rund 47 000 Einwohner, ist ein bedeutender Industriestandort mit den Zentralen des Lastwagenwerks Renault Trucks und des Busherstellers Irisbus.

Zu den ersten Vereinen, die Gleichgesinnte in der Region Auvergne-Rhone-Alpen fanden, gehören die Briefmarkenfreunde und die Concordia-Chöre. Zeitweise maßen sich auch Mannschaften aus Sportclubs. Das Friedrich-Ebert-Gymnasium stellte schon früh einen Schüleraustausch auf die Beine. Zuletzt ließ sich eine französische Delegation mit Bürgermeister Gilles Gascon im September 2019 durchs Naherholungsgebiet führen, besuchte Ausstellung, Konzert und die Lämmerspieler Kerb. Sachbearbeiterin Nancy Muth berichtet auch von den großen Jubiläumsfesten in beiden Städten.

„Die Politiker wohnen immer im Hotel, wir immer privat“, unterstreicht Eleonore Blöcher die enge freundschaftliche Bande im Partnerschaftskreis. „Wir luden uns privat zu Geburtstagen und zu Hochzeiten der Kinder ein und verreisten zusammen“, erzählt die 88-jährige Markwälderin. „Einer Familie aus St. Priest haben wir unser Haus überlassen, als wir in Urlaub fuhren“, erinnert sie sich. „Wir waren da immer flexibel und nicht zimperlich.“

All das sei aktuell nicht möglich. „Die Corona-Regeln machen eine Planung und Bus-Reservierung schwierig“, wegen hoher Stornogebühren seien sie vorsichtiger geworden und wollen abwarten. Bis bald wieder Treffen möglich sind: Kinder und Kindeskinder hoffen, dass möglichst bald wieder Planungen umgesetzt werden können.

VON MICHAEL PROCHNOW