Wie das Akkordeon-Orchester Mühlheim die Pandemie durchlebt Hoffen auf Aufritte

Konzerte sind aktuell nicht möglich: Auch das Proben muss das Akkordeon-Orchester während der Pandemie weitgehend ins Internet verlegen. Foto: p

Mühlheim – Wie fast jeder Verein erlebt auch das Akkordeon-Orchester Mühlheim nicht gerade die schönste Periode in seiner Geschichte. Mal probte man, dann ging wieder gar nichts. Konzerttermine lassen sich nicht verlässlich in den Kalender schreiben. Ob der Pandemie leidet auch die Nachwuchsarbeit. „Eigentlich hatten wir längst vor, das Akkordeon in Schulen vorzustellen“, berichtet der Vorsitzende, Dr. Ralf Grossmann.

Möglichkeiten des Akkordeons gehen weit über das Volksmusik-Image des Instruments hinaus. Könner wirbeln die Bearbeitung von Bachs Toccata und Fuge in d-Moll in die Knöpfe. Im argentinischen Tango spielt das Instrument eine große Rolle.

Mühlheims Akkordeon-Orchester steht seit 1955 im Vereinsregister. Grossmann kandidierte 2003 das erste Mal zum Vorsitzenden. Seitdem ist der 56-Jährige im Amt. Im Ensemble spielt er seit seinem 13. Lebensjahr. Nach zwei Jahren Unterricht bei Emil Kaiser war der Mühlheimer soweit. Dirigent Kaiser hatte insgesamt 30 Jahre das Orchester geleitet.

Vereine müssen regelmäßig jungen Mitgliedern zum Abschied winken, wenn die nach dem Abitur die Heimat verlassen. Nach seinem Wehrdienst konnte Grossmann wieder an den Proben teilnehmen, wenn es die Zeit zuließ. In Frankfurt studierte er Volkswirtschaft. Ende der 1980er musste er sich jedoch wieder abmelden. Ein Jahr verbracht er an der Pariser Sorbonne.

Grossmann betont, er habe im Akkordeon-Orchester immer die Atmosphäre geschätzt, „alles verständige Leute, niemand, der Stress macht“. Dafür spricht, dass ein Mitglied wie Margit Jäger seit 46 Jahren im Vorstand einen Job erledigt, um den sie niemand beneidet. Jäger bekam 2011 den Ehrenbrief der Stadt verliehen, weil sie seit 1976 ohne Fehl und Tadel die Kasse erledigt.

Mehr auf Seite 5

Zurück an der Goethe-Universität spielte Grossmann ab 1990 mit dem Orchester wieder Stücke von Astor Piazzolla, Songs von den Beatles oder Elton John. Nach der Promotion arbeitete der Hobbymusiker schließlich in Frankfurt bei einer französischen Bank. Nach Feierabend fuhr er an den Probentagen nach Mühlheim und wieder zurück. Der Weg verkürzte sich 2002, „wir zogen nach Mühlheim“.

„Wenn alle kommen, spielen 25 Leute mit“, sagt Grossmann. In der Not der Pandemie half man sich mit der Technik. Die Mitglieder spielten zu Hause per Video ihre Stimmen ein, die Dirigent Stephan Pieroth zusammen setze. Auf Youtube lässt sich das Ergebnis wie ein Bilderbuch betrachten, etwa bei einem ein Song wie „N’Oubliez Jamais“, den einst Joe Cocker intonierte. Im Dezember 2020 spielte das Orchester auch den ewig frischen Weihnachtssong „Sleigh Ride“ ein. Im ersten Jahr der Pandemie startete man mit den Proben in der Kulturhalle des Sängerkranzes an der Fichtestraße nach zwei Monaten Lockdown im Mai wieder. Statt wie üblich im Winter in der Willy-Brandt-Halle konzertierte das Orchester zur Freude der Bewohner im Garten des DRK-Seniorenzentrums an der Offenbacher Straße. Im November 2020 herrschte dann wieder für lange Zeit Stille. Proben verlegte man ins Internet, „manche konnten sich mit den Videokonferenzen verständlicherweise nicht anfreunden“, sagt Grossmann.

Auch beim Akkordeon-Orchester hofft man, dass bald die Normalität zurückkehrt, „dass wir Konzerte ansetzen und am Ende auch spielen können“.

VON STEFAN MANGOLD