Geschichtsverein veranstaltet Erzählcafé zum Thema Spiele und Spielzeug aus der Kindheit „Sieben Mark für den kleinen blauen Flitzer bei Saalbau Glock“

Der Teddybär darf auf keinen Fall fehlen (v.l.): Rosemarie Horch, Ingeborg Fischer, Karl-Heinz Stier, Elke Kleinhenz und Claus Spahn. Foto: man

Mühlheim (man) – Natürlich ist es Unsinn, wenn jemand pauschal behauptet, „früher war alles Besser“. Auf Krieg hat niemand Lust, auf prügelnde Schullehrer auch nicht. Manches fühlte sich jedoch ziemlich sicher besser an als in der Gegenwart. Im Erzählcafé des Geschichtsvereins vom 15. Mai berichteten Mühlheimer im Stadtmuseum, mit welcher Art von Spielen sie ihre Kindheit verbinden. Dagegen wirkt die digitale Erlebniswelt der meisten Kinder in der Gegenwart doch ziemlich trist und einsam.

Durch den Abend moderieren Ingeborg Fischer und Karl-Heinz Stier, der davon spricht, dass heute Computer und Smartphones die Spielwelt der Kinder dominieren. Der 1942 geborene Claus Spahn erinnert sich an ein kleines, blaues aufziehbares Auto, das er immer noch besitzt. Über Jahre sei das Ding sein absoluter Favorit gewesen.

„Noch vor der Währungsreform“, zog der kleine Claus alle Register seiner Quengelkunst, um die Oma schließlich doch soweit zu bringen, ihm den kleinen Flitzer zu kaufen, der bei „Saalbau Glock“ sieben Mark kostete, „ein kleines Vermögen“.

Ein utopischer Betrag in der Familie von Elke Kleinhenz, die berichtet, mit Puppen hätte sie am liebsten gespielt, wobei der Plural in die Irre führt, „ich besaß nur eine einzige“. Die hätte sie jedoch „gehätschelt und getätschelt“. Für eine Zwei- oder Drittpuppe fehlte ihrer Mutter mit fünf Kindern das Geld. Der Vater war ein Jahr nach dem Krieg gestorben, als Elke Kleinhenz drei Jahre alt war.

Die Dietesheimerin erzählt, wie die älteren Geschwister den jüngeren Geschichten vorlasen. Den Teddybär mit den Glasaugen, den Karl-Heinz Stier aus einer Tüte holt, kennt Kleinhenz noch bestens, denn Karl-Heinz war der gleichaltrige Nachbarbub, „mit dem Bär haben wir oft zusammen gespielt“.

Die Lämmerspielerin Rosemarie Horch erzählt vom „Hickelches“, den Sprüngen der Mädchen in die mit Kreide auf den Asphalt gemalten Felder. Man hüpfte zwischen „Himmel“ und „Hölle“. Verkleiden war für Rosemarie Horch das schönste. Beim Theaterstück im Kindergarten durfte sie einen Engel spielen, „zu Fastnacht ging ich als Zigeunerin“. _ „Und ich als Rotkäppchen“, wirft Elke Kleinhenz ein.

Erlebnisse, die ebenso in Erinnerung blieben wie die Nachmittage in Bobendrichtern oder Ruinen.

Claus Spahn wirft ein, wenn er zurückdenke, hätte er später ums eigene Kind oder den Enkel Angst gehabt, wenn er gewusst hätte, dass die auf Trümmergrundstücken so tobten wie damals er. „Die Kinder hatten früher mehr Freiheiten als heute“, konstatiert Ingeborg Fischer. Und sie haben als Erwachsene wohl lebendigere Erinnerungen, als sie die meisten Kinder von heute später einmal haben werden. Wenn die überwiegende Zeit von Kindheit und Jugend der Kopf über dem Smartphone hängt, was soll von den digitalen Gefühlen dann einmal bleiben?

Im Publikum erzählt Albert Dewald von seiner Kindheit in Trier. In der französischen Besatzungszone lebte es sich weit karger als bei den Amis. Ewald berichtet vom täglichen Kick der Jungs auf der Straße: „Wir spielten mit zusammengewickelten Lumpen.“ Irgendwann lag in einem Carepaket der Verwandten in den USA ein echter Ball, „der machte mich zum Mittelpunkt des Viertels“.

Claus Spahn erzählt außerdem von einem anderen Erlebnis aus der Nachkriegszeit. Im Elternhaus hielten sich häufig US-Soldaten auf. Zum ersten mal in seinem Leben sah Claus einen Menschen mit schwarzer Hautfarbe, „damals sagten alle ‘einen Neger’“. Der Dreijährige kletterte dem GI auf den Schoß und wischte ihm mit der Hand über das Gesicht: „Ich dachte, die Haut färbt ab.“ Vor Rührung liefen dem Amerikaner Tränen runter.