DGB-Neujahrsempfang mit Gastredner Tobias Huth „Tarif. Gerecht. Für alle“

Tobias Huth hält die Wiedereinsetzung der Vermögenssteuer für einen Ansatz von Gerechtigkeit. Foto: man

Mühlheim (man) – Zwar steht im Grundgesetz, die Würde des Menschen sei unantastbar, aber besonders im Rhein-Main-Gebiet stellt sich die Frage, ob sich mit von 1.300 Euro Mindestlohn tatsächlich ein würdevolles Dasein leben lässt. Unter der Überschrift „Tarif. Gerecht. Für alle“, hatte der DGB Mühlheim zum Neujahrsempfang bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) an der Fährenstraße eingeladen.

Tobias Huth, der Vorsitzende des DGB Kreis und Stadt Offenbach, sprach über die Rolle der Gewerkschaften im Kontext von AfD, Lohnabschlüssen und Zukunftsfragen.

Der DGB erlebte in den vergangenen Jahrzehnten nicht gerade seine rosigsten Zeiten, die Mitgliederzahlen gingen runter. Vertreter der Linken werfen den Gewerkschaften vor, sich durch ihre Zustimmung zu „moderaten Lohnabschlüssen“ der auseinanderklaffenden Einkommensschere nicht wirklich entgegengestellt zu haben.

„Wie kommen die Menschen mit dem Geld aus, wie können sie ihre Miete bezahlen?“, fragt Thomas Schmidt bei seiner Einführung. Schmidt ließ sich vor 18 Jahren das erste mal zum Vorsitzenden des DGB-Ortsverbands Mühlheim wählen. Im Publikum sitzen der Erste Stadtrat Dr. Alexander Krey und Bürgermeister Daniel Tybussek, der bei seinem Grußwort quasi von zwei Herzen in seiner Brust spricht.

Als Chef der Verwaltung stehe er einerseits auf der Seite der Arbeitgeber. Wenn die Löhne der städtischen Angestellten stiegen, müsse die Kommune zusehen, wo sie an anderer Stelle einspare. Er habe sich mit streikenden Erzieherinnen solidarisch gefühlt, empfinde die Löhne für Arbeiter des städtischen Bauhofs für zu niedrig, „die halten die Knochen hin, sie haben aber keine Lobby“.

Gastredner Tobias Huth, Organisationssekretär des DGB Stadt- und Kreisverbands Offenbach, spricht vom „Zukunftsdialog“, den die Gewerkschaften führten. Es ging um Themen wie Rente, Infrastruktur und Miete.

„Was ist gerecht?“, fragt Huth rhetorisch. Für gerecht hält er, die 1997 ausgesetzte Vermögenssteuer wieder in Kraft zu setzen, auch wenn er wisse, dass etwa die Erben aus der Familie Quant mit ihrem Milliardenvermögen das wohl anders sehen.

Für ungerecht hält der Funktionär, dass in der Metallindustrie seit den 80er-Jahren die 35-Stunden-Woche gelte, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hingegen die 38-Stunden-Woche.

Der Mindestlohn liegt bei 9,35 Euro brutto. Nach Abzug aller Kosten bliebe davon ein monatliches Nettoeinkommen von 1300 Euro übrig, von dem der Arbeitnehmer noch seine Miete bezahlen müsse. „Das ist fast auf dem Niveau von Hartz IV“, führt Huth aus, der keineswegs sagen wolle, das Arbeitslosengeld II sei zu hoch angesetzt, „aber gerade im Rhein-Main-Gebiet lässt sich von dem Gehalt in Würde nicht leben“.

Das Thema „4. Industrielle Revolution“ und Energiewende will Huth nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen sehen.

Der Reifenhersteller Dunlop baue in Hanau und Fulda 1300 Arbeitsplätze ab, „mit der Begründung, sich für den technologischen Wandel fit zu machen“.

Nach seinem Kenntnisstand, sagt er, fahren auch Elektroautos mit Reifen.

Der Sekretär konstatiert, viele in der Gesellschaft fühlten von den neuen Entwicklungen bedroht und gäben deshalb aus Protest der AfD die Stimme.

Wie bei den meisten Angriffen gegen die einst von Marktapologeten wie dem Volkswirtschaftsprofessor Bernd Lucke oder Ex-BDI-Chef Olaf Henkel Partei gegründeten Partei, verzichtet auch Huth auf inhaltliche Kritik, erwähnt etwa nicht die implizite Forderung der AfD, auch milliardenschwere Firmenanteile erben zu können, ohne für das erwerbslose Einkommen auch nur einen Cent Steuern bezahlen zu müssen. Huth bemerkt, „die AfD kann niemals Arbeitnehmerpartei werden, weil sie keine solidarische Gesellschaft, sondern nur Spaltung will“.

Als Kernaufgabe der Gewerkschaft sieht Huth, Tariflöhne auszuhandeln, „um zwischen den Arbeitnehmern keine Konkurrenz aufkommen zu lassen, die zu Niedriglöhnen führte“. Thomas Schmidt fordert Angestellte auf, sich nicht wie Trittbrettfahrer zu verhalten, „sondern in der Gewerkschaft ihren Beitrag zu leisten“.