1934 eröffnete das Lämmerspieler Freibad/ Lehrerin verfügte Badeordnung Zwischen Rodau und Brühlbach

Badevergnügen hinter löchrigem Sichtschutz: Mädchen der Jahrgänge 1928 bis 1930 im Wasser repro: man

Mühlheim – Zurzeit herrscht Stille im Lämmerspieler Schwimmbad. Kaum jemand käme auf die Idee, ins Wasser zu steigen, das mittlerweile auch in den Wintermonaten im Becken bleibt.

„So lassen sich Frostschäden vermeiden“, erklärt Roland Peterson. Den Bereichsleiter der Stadtwerke für die Bäder kennen die Mühlheimer seit 41 Jahren als Bademeister. Peterson trägt auch für das Hallenschwimmbad am Bürgerpark die Verantwortung.

Das Wasser nicht abzulassen, hätte das Becken in früheren Jahrzehnten jedoch gänzlich ruiniert. Winter ohne Eisschicht auf stehenden Gewässern gab es nur selten. Außerdem ist es heute möglich, das Wasser ohne Aufwand auf zwei bis drei Grad zu temperieren, wie Peterson erklärt.

Wer fürchtet, ins gleiche Nass zu steigen, in dem die Hunde zum Abschluss der Saison schwimmen durften, kann sich beruhigen, „bevor es wieder losgeht, tauschen wir das Wasser aus“.

Das fließt dann über mehrere Tage ein, „das Netz soll schließlich nicht zusammenbrechen“.

Das Lämmerspieler Schwimmbad eröffnete 1934. Nachlesen lässt sich das in dem Buch des Geschichtsvereins Mühlheim, das Horst Baier und Günter Schmitt unter dem Titel „Lämmerspiel … einmalig – Geschichte – Tatsachen – Erzählungen“ 2014 herausgaben. Schmitt beschreibt in dem Kapitel „Zwischen den Bächen...“ die Entstehungsgeschichte des Bads.

Bei den fließenden Gewässern handelt es sich um Rodau und Brühl. Den Zweig der Rodau hob man 1930 aus, um das Hochwasser in den Griff zu bekommen. Zwischen den beiden Bächen bekam das Dorf 1934 sein eigenes Schwimmbad, was mit den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Nationalsozialisten zusammenhing. „Das Gelände an der engsten Stelle war wie geschaffen“, schreibt Schmitt.

Die gegenüberliegenden Ufer hatte man mit einer Betonmauer befestigt, „in die senkrecht auf jeder Seite eine U-Schiene eingegossen wurde“.

Zwischen sechs Zentimeter dicken Holzbohlen stieg das Wasser etwa 70 Zentimeter. Keine Tiefe, die sich zum Turmspringen eignet, aber ideal zum Schwimmenlernen.

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Weil der Brühlbach um einiges tiefer lag als das Bett der Rodau, ließ sich das Becken locker über zwei Abflussrohre leeren und von der Rodau wieder füllen.

Schmitt schreibt über die Badeordnung, die das „Fräulein Guthier“ verfügte. Sie war keine Frau vom Fach, sondern die Volksschullehrerin für die ersten Klassen. Guthier legte unterschiedliche Badezeiten für Mädchen und Jungs fest, wie es dem Geschlechterverhältnis der Zeit entsprach. In den Anfangsjahren sollte ein Bretterzaun vor neugierigen Blicken schützen. Der 1936 geborene Schmitt weiß wohl, wovon er spricht, wenn er notiert, „es gab jedoch genügend Astlöcher und Ritzen, die manchen Blick zuließen“. In den letzten Kriegsjahren diente der Zaun schließlich als Brennholz.

Bis heute kann sich Lämmerspiel über sein einladendes Schwimmbad freuen, über einen Bademeister wie Roland Peterson und seine Mannschaft, von der es unter Gästen oder Anbietern spezieller Therapieschwimmkurse heißt, „sie engagieren sich weit über das hinaus, was sie müssten“.

Peterson zählt Neuerungen der vergangenen Jahrzehnte im Lämmerspieler Schwimmbad auf, das in den 80er Jahren längere Zeit kein Eintritt kostete, „als einziges im Kreis“. Das änderte sich mit der Einrichtung eines Kiosks, „der Betreiber konnte den Kartenverkauf mitübernehmen“.

Der Schwimmbad-Chef spricht von der Verlegung des Nichtschwimmerbeckens 1980, der Stromgewinnung durch eine Photovoltaikanlage und dem Wärmetauscher. Peterson resümiert, „wenn der Betreiber nicht ständig erneuert, verkommt ein Schwimmbad schnell“.

VON STEFAN MANGOLD