Stadtgeschichte mal anders Theater zum Anfassen in Neu-Isenburg

Der Graf zu Ysenburg und Büdingen (Michael Wolfstädter) wandelte auf dem roten Teppich des Marktplatzes, bevor er die Privilegien der Hugenotten verkündete. Foto: col

Neu-Isenburg (col) – Die Isenburger erlebten am Sonntagnachmittag die Gründung der Hugenottenstadt zum Anfassen. Anlässlich des Stadtgeburtstages – Neu-Isenburg wurde am 24. Juli 1699 gegründet – hatten Kulturamtsleiterin Bettina Stuckard und Regisseurin Miruna Costa mit erfahrenen Laienschauspielern die Historie ihrer Stadt auf das Kopfsteinpflaster des Alten Ortes gebracht.

Etwa 400 Besucher erlebten bei heißen Temperaturen, wie sich die Bewohner der umliegenden Orte über die Franzosen echauffierten: „In Frankreich gibt’s Krach. Die Reformierde mache wieder Ärscher. Un jetzt flüchte se in Masse. Die komme all hierher!“ tönte es vor dem Apfelwein Föhl.

Die Isenburger beobachteten, wie Graf Johann Philipp zu Ysenburg und Büdingen über den roten Teppich auf dem Marktplatz schritt, huldvoll winkend und die Privilegien für die geflüchteten Franzosen verkündete, die dem gleichen Glauben folgten wie er selbst. Die Zuschauer waren sehr viel mehr als nur Beobachter dieser Szenen, die Bettina Stuckard aus den Kirchen- und Gerichtsbüchern jener Zeit zu einem kurzweiligen Theaterstück erarbeitet hatte. Die Besucher waren Teil des Spiels.

Publikum ist ganz nah dran

Bei der Armenspeisung mit einer Suppe teilten die Schauspieler die heiße Köstlichkeit aus, als der Pfarrer in der Kirche mit den Hugenotten schalt, weil sie am Sonntag in Gravenbruch mit Katholiken getanzt hatten, waren die Zuschauer Gottesdienstbesucher und beim Prozess auf dem Marktplatz, bei dem die Franzosen wegen Kartenspiel und Verführung zum Tanz angeklagt waren, diente das Publikum als Prozessbeobachter.

Costa und Stuckard hatten viele Details bedacht. In einfache Leinenkleider gehüllt klapperten die Hugenotten auf ihren Holzpantoffeln durch die engen Kopsteinpflaster-Gassen und ließen die Vergangenheit lebendig werden.

Chor war singend unterwegs 

Es war kein Theater, bei dem es galt, sich berieseln zu lassen und bequem auf einem Theatersessel zu lümmeln, schließlich folgte das Publikum den Schauspielern auf dem Fuße. Den gestrengen Lehrer, der wild mit dem Rohrstock fuchtelte, erlebten sie vor der alten Schule – alles authentisch aufgebaut mit Bänken und Tafeln. Die Kirchenszene führte sie in die reformierte Marktplatzgemeinde – und damit unterwegs auch garantiert keine Langeweile aufkam, war der Chor der Johannesgemeinde singend in den Gassen unterwegs und Musikschulleiter Thomas Peter-Horas begleitete die Menge auf dem Akkordeon. Unterwegs konnten die Theaterbesucher ein Isenburger Geschichts-Rätsel lösen und hatten die Gelegenheit, sich von Graf zu Ysenburg und Büdingen ein Autogramm zu holen.

Die Meute, die zu Beginn gewettert hatte, war überaus froh, dass die französischen Flüchtlinge sich gut in der Nachbarschaft eingefügt hatten. „Sie scheine ordentlische Leut zu sei, gehe sonndachs in die Kersch, sin fleisisch und arbeitssam,“ erklärte Wirtin Katharina einem Journalisten. Und den Gründern von Isenburg ist nur eines wichtig: „Hauptsache wir können hier in Frieden Leben – Hauptsache wir haben hier eine Heimat.“ Nachdem alle Schauspieler ein Blümchen in den Händen hielten, sich unter dem Applaus und dem Jubel der Isenburger dutzendfach verbeugt hatten, da strahlten Bettina Stuckard und Miruna Costa mit der Sonne um die Wette. „Das hat all unsere Erwartungen bei weitem übertroffen“, war die Regisseurin mehr als glücklich mit dieser besonderen Premiere ihres bewegten Theaters. Das war wahrlich ein besonderes Geschenk zum Stadtgeburtstag der Hugenottenstadt.