„Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers im Mittelpunkt Diskussion in der Deutschen Nationalbibliothek

Martin Wuttke liest Passagen aus „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers. Foto: Faure

Nordend (jf) – Das Festival „Frankfurt liest ein Buch“ war eine Woche nach der offiziellen Eröffnung erneut zu Gast in der Deutschen Nationalbibliothek. An diesem Abend ging es unter der Überschrift „Widerstand erzählen“ um Grundgedanken des Romans „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers. Das Gespräch führte Ruthard Stäblein mit Sylvia Asmus, Leiterin des Deutschen Exilarchivs der Deutschen Nationalbibliothek, und Hans-Willi Ohl, Vorsitzender der Anna-Seghers-Gesellschaft Berlin und Mainz. 

Für die Lesung konnte der Schauspieler Martin Wuttke gewonnen werden, er hatte bereits die Hörbuchfassung des Romans eingesprochen. „Es geht im ‚Siebten Kreuz’ um Menschlichkeit. ‚Was jetzt geschieht, geschieht uns’, heißt es bei Anna Seghers“, leitete Stäblein die Diskussionsrunde ein, „aber es geht nicht um Kommunismus.“

Ohl antwortete: „Seghers war seit 1928 Mitglied der Kommunistischen Partei, aber das Wort ‚Kommunismus’ fehlt im Buch tatsächlich. Es geht um Widerstand in breiter Form – das wollte die Autorin zeigen. Ihre Frage war: Wie verhält sich ein Mensch einem Flüchtling gegenüber?“ Sylvia Asmus fügte hinzu: „Als Anna Seghers 1933 ins Exil nach Paris ging, hatte sie viele Quellen, nutzte Berichte und Erzählungen.“ Man müsse sich eine Flucht nicht wie ein Gehen von A nach B vorstellen. Doch Seghers, die Französisch sprach, knüpfte schnell ein Netzwerk, trat 1935 auf dem Schriftstellerkongress in Paris auf, als man noch von einer antifaschistischen Volksfront sprach.

Soziale Gemeinschaft in Heimat gesehen

Leider konnte dieser Zusammenschluss der Hitler-Gegner keine Schlagkraft entwickeln. „Seghers sah die Heimat anders als die Nazis, sie sah in der Heimat eine soziale Gemeinschaft, für die sich jeder entscheiden musste“, äußerte Asmus. Ohl verwies auf einen Roman, der weit mehr als eine Ermutigung enthalte. Die Autorin nutzte auch Märchen, Mythen und Sagen und war der Meinung, dass all diese Erzählungen zum Volk gehören. „Die von Seghers genutzte Montagetechnik erinnerte mich an den Film. Seghers’ Szenarien haben etwas wahnsinnig Saftiges“, schaltete sich Wuttke gestenreich ein. „Die Arbeit am Hörbuch war spannend und hat Spaß gemacht.“

Die 1900 in Mainz geborene Anna Seghers beschreibt nicht nur die Landschaften ihrer Kindheit, sondern auch den Mainzer Dom und das Gassengewirr in Frankfurt. „Das ist authentisch, aber es ist kein Reiseführer. Dem Buch kommt existentielle Bedeutung zu“, bemerkte Ohl. Immer kommen Menschen in Entscheidungssituationen und müssen handeln. „Mir kommt es so vor, als ob heute viele Menschen moralische Grenzen austesten. Das finde ich unerträglich“, sagte Ohl und erhielt Applaus. Der Protagonist Georg Heisler aus Anna Seghers Roman ist kein strahlender Held, er hat Ecken und Kanten. Aber er hat einen unbändigen Freiheitswillen. Und er wird durchkommen, gegen alle Versuche, seiner habhaft zu werden.