Kunstausstellung: Was hat Seckbach mit Kolonialisierung zu tun? In der Zeit der fünften Sonne

Natascha führt einen polynesischen Tanz auf, der die Kolonialzeit überlebt hat.

Ostend/Seckbach (jf) – Viele waren in das Atelierfrankfurt in die Schwedlerstraße 1 gekommen, um sich die zweitägige Kunstausstellung anzuschauen, die sich mit dem Projekt „Die fünfte Sonne“ im Stadtteil Seckbach beschäftigt. Unterstützt wurde es von der Frankfurt University, vom Arbeitskreis für Menschenrechte abá, vom Kultur- und Geschichtsverein Seckbach sowie von der Kulturinitiative Casazul.

Große bunte Figuren, ganze Häuserfronten, fantasievolle Kostüme und sonderbare Instrumente konnten bestaunt werden. Was aber hatte der aztekische Gott Quetzalcoatl, die gefiederte Schlange, mit türkischen Händlern, Karl V., Luther und Seckbach zu tun? Und was bedeutet die fünfte Sonne? All diese Fragen beantwortete Projektleiterin Margarita Barajas: „Der Schöpfungsmythos der Azteken besagt, dass es vier Sonnen gab, in denen die Welt geschaffen wurde. Jetzt leben wir in der fünften Sonne, das ist die beste Zeit.“ Barajas, in Mexiko geboren, wohnt seit 1992 in Frankfurt und seit 2014 in Seckbach. Die Sopranistin studierte Musikpädagogik, promovierte in Musikethnologie und engagiert sich im Stadtteil. Die Aufführung einer Performance mit Zirkus, Gesang und Theater fand vor mehr als einem Jahr auf dem Atzelbergplatz statt. Gleich zwei Jubiläen trafen da zusammen: Vor 50 Jahren wurde der Platz angelegt, vor 500 Jahren wurde Tenochtitlán, die Hauptstadt der Azteken, vom spanischen Eroberer Hernán Cortés besiegt. Der wollte sie Karl V. überlassen, über diese Stadt zu herrschen sei „nicht weniger ehrenvoll als die Kaiserkrone von Deutschland“.

Ebenfalls 1521 zog Martin Luther auf seiner Reise zum Reichstag nach Worms durch Seckbach. Die Gedanken des Reformators waren in der Welt. Und das „in einem Feuchtgebiet wachsende Sauergras“, so wird der Ortsname im „Seckbacher Museumsbuch“ hergeleitet, protestierte ein paar Jahre später gegen Steuern und Vorschriften. Nützte aber damals nichts.

Etwa 450 Jahre später wurden zur Entrüstung der alten Seckbacher Hochhäuser auf dem Atzelberg gebaut. Im Lauf der Zeit entwickelte sich der Propst-Goebels-Weg fast zu einer Demarkationslinie zwischen zwei Siedlungsbereichen. Das wollte Barajas ändern und sammelte Mitstreiter um sich. Ein Film zeigt die Entwicklung des Projekts „Die fünfte Sonne“. „Zuerst waren wir acht Interessierte, an der Aufführung im September 2021 haben schließlich fast 60 Menschen mitgewirkt, 300 Gäste schauten zu.“ Auch zur aktuellen Ausstellung im Atelierfrankfurt trommelten noch einmal drei Jungen und Natascha führte ihren polynesischen Tanz auf, der die Kolonialzeit überlebt hat. Deutlich wird: Alles hängt miteinander zusammen. „Wenn Menschen sich vom Herzen her mögen, können sie einander verstehen, auch wenn sie nicht die gleiche Sprache sprechen und aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen kommen“, ist sich Barajas sicher. Der Applaus bewies, dass viele genauso denken.

Eine war eine aufschlussreiche und kreative Ausstellung mit vielen Aspekten, die vom Stadtteil bis in die moderne Globalisierung und die Ursprünge europäischer Eroberungen und ihrer Folgen reichen. Der anschließende Film, hinterfragte viel und zeigte unterschiedliche Ansichten der Seckbacher und ihrer Wünsche nach einem stärkeren Miteinander. Ein Projekt, das weitergeführt werden sollte. Genau das würden Barajas und ihre Mitstreiterinnen am liebsten: Diese „Fünfte Sonne“ weiter strahlen lassen.